Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
so energisch und grob, aber du bist zart, es klingt fast enttäuscht, gleich wird er mir noch sagen, du bist ein Wandbild, und ich frage kühl, für was interessierst du dich eigentlich, für Archäologie oder für Archäologinnen?
Für beides, sagt er und lacht vergnügt, als hätte ich ihm ein Kompliment gemacht, ich liebe die Verbindung, Ausgrabungen machen ist doch eine sehr erotische Tätigkeit, ist dir das noch nicht aufgefallen? Und ich sage, Ausgrabungen sind zerstörerisch, erst hinterher weiß man, ob sie berechtigt waren oder nicht, ich will doch hoffen, dass Erotik weniger zerstörerisch ist, und ich nehme hochmütig einen Schluck Wein, schaue mich demonstrativ gelangweilt um. Dieser Aufsatz von dir, versucht er es weiter, und ich unterbreche ihn, ich habe viele Aufsätze veröffentlicht, welchen meinst du genau? Und er sagt, den über den Auszug aus Ägypten, ich verstehe dich wirklich nicht, wie kannst du die Tatsache ignorieren, dass es für diese ganze Geschichte keinen einzigen Beweis gibt? Und ich sage, ich kenne all diese Argumente auswendig, außerdem glaube auch ich nicht, dass es sich um eine absolute historische Wahrheit handelt, ich behaupte in diesem Aufsatz nur, dass man unmöglich die ägyptischen Zeugnisse einer großen Naturkatastrophe ignorieren kann, Zeugnisse, die zu den Phänomenen passen, die in unseren Quellen erwähnt werden.
Genau die haben mich nicht überzeugt, sagt er, was haben die überhaupt miteinander zu tun? Und ich sage, Archäologie ist keine exakte Wissenschaft, sie lässt viel Raum für Interpretationen, heute ist es sehr leicht zu sagen, das sind alles Märchen, aber es fällt mir schwer zu glauben, dass all jene dramatischen historischen Ereignisse nur Früchte der Fantasie sein sollen. Die Ankunft seiner Suppe unterbricht zu meiner Erleichterung unser Gespräch, und er fällt gierig über das Essen her, und wie erwartet, ist er auch mit der Suppe nicht zufrieden, der Brokkoli ist verkocht, stellt er fest und erklärt der Kellnerin ganz ernst, wenn man Brokkoli zu lange kocht, wird er weich wie ein Putzlappen, und sie entschuldigt sich, wirklich? Bisher hat sich noch niemand beschwert. Ich habe einen empfindlichen Gaumen, gibt er zu, und sie ist ratlos, fragt, möchten Sie vielleicht etwas anderes bestellen? Gibt es eine Spezialität des Hauses, die Sie empfehlen können, fragt er, und sie sagt, wir haben einen ausgezeichneten Chefkoch, zumindest haben wir das bis jetzt geglaubt, und er schnaubt verächtlich, ich werde auf mein Steak und den Salat warten, aber vergessen Sie nicht, die Suppe von der Rechnung zu streichen, und sie wirft mir einen mitleidigen Blick zu und verlässt den schwierigen Gast, ich wünschte, ich könnte es ihr nachmachen, ich wäre bereit, für sie alle Gäste hier zu bedienen, wenn sie sich an meiner Stelle zu ihm setzen würde, ich schweige bedrückt, nehme kleine nervöse Schlucke.
Du bist also frisch geschieden, fragt er, als wäre auch ich ein Gericht, das ihm vorgesetzt wurde, um auf seine Frische geprüft zu werden, und ich antworte kalt, ich bin noch nicht geschieden, ich habe mich von meinem Mann erst vor ein paar Monaten getrennt, und er sagt, dein Mann ist doch dieser Archäologe, Amnon Miller, nicht wahr? Ich habe von ihm gehört, wie ist das, wenn man als Archäologin mit einem Archäologen zusammenlebt? Und ich antworte kurz, es hat Vor- und Nachteile. Vermutlich haben die Nachteile die Vorteile überwogen, bemerkt er, zufrieden mit seiner Diagnose, und ich nicke, vielleicht, und was ist mit dir? Wie lange bist du geschieden? Und er sagt, schon viele Jahre, ich habe jung geheiratet, eine unreife Ehe, und seither suche ich, und ich nicke einfach.
Endlich kommt das Steak an unseren Tisch, an dem jetzt geschwiegen wird, und er verschlingt es gierig, nicht roh genug, aber sonst ganz in Ordnung, verkündet er mir mit freudigem Gesicht, als hätte ich mir Sorgen gemacht, im Kibbuz hat man uns gezwungen, immer den Teller leer zu essen, fügt er als eine Art Entschuldigung hinzu, das Essen war schrecklich. Seither achte ich genau darauf, was ich in den Mund nehme, und ich betrachte ihn erschöpft, von wegen verlieben, wie kann man sich in diesem Alter verlieben, wenn man wache Augen hat und das Herz alles genau registriert wie ein eifriger Buchhalter. Verlieben scheint sich, wie der Schlaf, umso weiter zu entfernen, je mehr man sich darum bemüht, wie werde ich jemals wieder einschlafen können, habe ich mich gefragt, als ich jung
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