Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
verkündet, gehe ich zurück in die Küche, in ein Handtuch gewickelt wie in eine alte Toga, ich sehe, dass er sich einen Whisky eingießt, er hebt das Glas in meine Richtung, willst du dich anschließen, und ich antworte mit einer Gegenfrage, willst du dich beim Baden anschließen? Er lächelt und schüttelt den Kopf, ohne etwas zu sagen.
Warum, frage ich, und er kommt zu mir, sein Blick gleitet über meine nackten Schultern, über die Finger, die das Handtuch halten, dann sagt er, ich werde nicht mit dir baden, sonst denkst du, ich wäre nur gekommen, um mit dir zu schlafen, und dafür bin ich nicht gekommen, und ich frage, wofür bist du gekommen? Um für dich eine Suppe zu kochen, sagt er, dreht mir den Rücken zu und zieht aus dem richtigen Schrank den richtigen Topf, als kennte er sich in der Wohnung aus, sogar besser als Amnon, der immer durcheinander gekommen ist und gefragt hat, wo hast du die Pfanne versteckt, wo hast du die blaue Schüssel hingeräumt, hier findet ja kein Mensch was.
Wie seltsam ist es, ihn in meiner schmalen, langen Küche zu sehen, die kein Fenster hat, er bewegt sich geschickt zwischen den Lebensmitteln, er füllt Wasser in einen Topf, und einen Moment lang kommt es mir vor, als stünden sie nebeneinander, Amnon stellt mit verhaltenem Unwillen ein Bein vor das andere, sein Rücken ist über die marmorne Arbeitsplatte gebeugt, die für seine Größe zu niedrig ist, wer von ihnen ist mir fremder, dieser Mann, den ich überhaupt nicht kenne, oder Amnon, den ich viel zu gut kenne und der sich so verändert hat, und ich lasse ihn dort und versinke in der Badewanne, meine Glieder schwimmen im Wasser, fühlen sich wie kleine Kinder, die sich an ihrem Spiel erfreuen, fast ist es, als würde ich das jubelnde Geschrei unserer kleinen Kinder zwischen den Wannenrändern hören, und ich stimme lautlos in ihren Jubel ein, lasse sie um mich schwimmen wie Enten, wie Schaumblasen, aber als ich mich an Jotam erinnere, verdüstert sich meine Stimmung plötzlich, schließlich ist es sein Vater, der jetzt in der engen Küche steht, sein Vater, der bei seiner Geburt geweint hat. Was hast du vor, noch ein Kind unglücklich zu machen, noch eine Familie zu zerstören, reicht dir das nicht, was du bis jetzt angerichtet hast, und ich sage zu mir, du musst herausfinden, wie seine Situation ist, ob er nach Hause zurückgekehrt ist, dann schick ihn weg, ohne von der Suppe zu probieren, ohne seinen Zauber zu kosten, und ich sage mit weicher Stimme, Oded, komm her, und zu meiner Überraschung antwortet er sofort, als habe er die ganze Zeit an der Tür gestanden, er kommt herein, seine Gestalt gefangen in einem Netz aus Dämpfen, das Glas noch in der Hand, es wird dir nichts helfen, sagt er lachend, ich habe gesagt, dass ich nicht mit reinkomme, und ich frage, bist du sicher, dass du überhaupt hier bist, ich sehe dich nicht, und dann macht er das Fenster auf, die Sicht wird schnell klarer, und er schaut mich an und beschwert sich, zu viel Schaum, man sieht nichts, hast du auch einen Körper oder nur einen Kopf?
Oded, ich muss dich etwas fragen, sage ich, und er lächelt, wenn du es musst, dann tu’s, seine Stimme klingt noch immer amüsiert, aber schnell, ich habe noch was zu tun, und ich sage, ich habe Angst zu fragen, vielleicht hilfst du mir. Wovor hast du Angst, vor der Frage oder vor der Antwort, will er wissen, und ich sage, vor der Antwort natürlich, und er betrachtet mich mit seinen dunklen Augen, die immer größer aussehen, als sie wirklich sind, ich kann mir vorstellen, was dich bedrückt, sagt er, seine Zunge dehnt die Wortenden, die Antwort ist nein, ich wohne nicht mehr zu Hause, ich bin für immer weggegangen, in jener Nacht, und ich tauche vor lauter Erleichterung den Kopf unter Wasser, und als ich hochkomme, um Luft zu holen, ist er schon nicht mehr da, vom Fenster dringt mir trockene, kalte Luft entgegen, und ich beschimpfe mich, wie kannst du dich über das Leid einer anderen Frau freuen, einer Frau, die du sogar kennst, und über das Leid eines Jungen, den du sogar gern hast, und trotzdem wird mir schwindlig davon, dass ich es jetzt weiß, ich trockne mich schnell ab, schlüpfe in das lange schwarze Samtkleid, das in den letzten Jahren zu einem Hauskleid geworden ist, aus der Küche dringen Essensdüfte, die Geräusche von Gemüsehacken und Topfdeckeln, das Quietschen von Schuhen auf den Fliesen, das Summen eines anderen, der in der Wohnung umherläuft, Geräusche, die ich schon vergessen
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