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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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violetten Spätnachmittag, der sich schnell in Dunkelheit verwandelt, habe ich das Gefühl, dass sich alle Unklarheiten auflösen, zum ersten Mal bin ich wirklich für ihn bereit.
    Aber je weiter ich mich von dem schiefen Baumstamm entferne, vom Schauplatz des übernatürlichen Geschehens, umso deutlicher dringen andere Geräusche an mein Ohr, denn während ich auf der Hauptstraße von einem Geschäft zum anderen gehe, den Whisky kaufe, den wir damals, im Café, zusammen getrunken haben, dazu Schokoladenkekse und Roggenbrot, Zwiebeln und Pilze und Süßrahm für die Suppe, ich werde nur eine Suppe kochen, um nicht übertrieben eifrig zu wirken, und je größer die Zahl der Tüten in meinen Händen wird, umso schwerer fällt es mir, das zunehmende Misstrauen zu ignorieren, das mich jammernd begleitet wie eine stetig wachsende Meute hungriger Straßenkatzen, denen der Geruch nach Essen in die Nase steigt. Kann es wirklich so leicht gehen, irgendetwas ist verdächtig daran, es ist nicht logisch, und gegen meinen Willen erinnere ich mich an das Geschrei, das mich vor ihrer Wohnungstür empfangen hat, du hast versprochen, dass es nicht mehr passieren wird, ich glaube dir kein einziges Wort, ich habe Beweise, und ich bleibe stehen, stelle die Tüten auf den Gehweg, gleich werden sie von den Passanten zertrampelt werden, ja, es könnte stimmen, vermutlich gehört er zu dieser Art Männer, die sich für fast jede Frau für eine Nacht oder zwei interessieren, und ich bin ihm so leicht in die Hände gefallen, warum sollte er die Gelegenheit nicht nutzen, ich bin nicht schlechter als andere, und wütend hebe ich die Tüten auf und gehe weiter, auf einmal sind sie unerträglich schwer geworden, ich habe alles, was ich brauche, um zu dir zu kommen, hat er mir ins Ohr geflüstert, was braucht er schon dafür, ein paar freie Stunden, sonst nichts, während ich schon bereit bin, seinen Sohn zu adoptieren, organisiert er sich ein Vergnügen nicht weit von zu Hause, und gleich danach wird er in seine gestylte Wohnung zurückkehren, sogar noch rechtzeitig, um seinem Sohn einen Gutenachtkuss auf die glatte Stirn zu drücken, und nun beschließe ich, bei Dina etwas über ihn herauszubekommen, das ist wichtiger als die Suppe, soll seine Frau doch für ihn kochen. Bisher habe ich Dina noch nichts erzählt, auch jetzt muss ich vorsichtig sein, darf es nur beiläufig erwähnen, und noch bevor ich die Tüten auspacke, rufe ich sie an, wie geht’s, frage ich leichthin, und sie sagt, ich bin gerade von der Arbeit gekommen, ich bin halb tot, und ich spreche schnell weiter, rate mal, wen ich gerade zufällig auf der Straße getroffen habe, und ohne zu warten, ob sie es errät, fahre ich fort, deinen Psychologen.
    Er ist nicht mein Psychologe, widerspricht sie schnell, er ist ein Bekannter von mir, und er ist Psychiater, das ist ein Unterschied, und ich sage, er war sehr nett zu mir, und sie sagt, ja, warum nicht, er ist alles in allem ein netter Mensch, nicht so aufgeblasen wie die meisten seiner Kollegen, und ich bohre vorsichtig, sag mal, glaubst du, dass er sich für Frauen interessiert, und sie antwortet kühl, was soll das heißen, er interessiert sich ganz bestimmt nicht für Männer, und ich sage, stell dich nicht so naiv, ich meine, fängt er schnell mal was mit einer an? Sie zögert einen Moment, warum, hat er versucht, mit dir was anzufangen, fragt sie, und ich sage, nein, eigentlich nicht, er war nur einfach nett, ich merke schon, dass dieses Gespräch sich nicht weiterentwickeln wird, ich bin nicht die Einzige, die hier etwas verbirgt, und dann sagt sie, Ella, fang ja nicht an, davon auch nur zu träumen, nicht von ihm, ich rate dir, ihm nicht zu nahe zu kommen, und ich erschrecke, aber warum, sag mir, warum?
    Sie seufzt, ich kann dir keine Einzelheiten erzählen, begnüge dich damit, dass er verheiratet ist, lass einfach die Finger von ihm, und mir ist klar, dass ich jetzt nicht mehr als das von ihr erfahren werde, und sogar das Wenige, das ich gehört habe, tut mir schon Leid, wozu brauche ich das, ich wäre jetzt glücklicher, wenn ich sie nicht angerufen hätte, mir kommt es vor, als würde mir ein königliches Mahl serviert, doch noch bevor ich es probieren kann, sagt man mir, lass die Finger davon, es ist vergiftet, aber mich verlangt nach diesen Delikatessen, sogar wenn ich nachher dafür bestraft werde, ich hasse jeden, der sie mir vorenthalten will, auch wenn er mir damit das Leben rettet, und sofort richtet sich mein

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