Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
vorwurfsvoll, und Jotam reißt ihr die Mütze aus der Hand und bedeckt schnell seinen Kopf, erst jetzt bemerke ich, wie aufgeregt sein Gesicht ist, auch in seinen Augen glänzt eine verdächtige Feuchtigkeit, er schreit, das ist, weil du eine doofe Mutter bist, wegen dir muss ich jetzt bis zum Sommer eine Mütze tragen, du bist die doofste Mutter von der Welt, und als ich sehe, wie sich die Kränkung auf ihrem Gesicht ausbreitet wie der Fleck auf der Decke, verteidige ich sie schnell, Jotam, jeder Mutter kann so etwas mal passieren, weißt du, wie oft Gili jeden Tag böse auf mich ist? Aber er lässt sich nicht überzeugen, ich wollte überhaupt nicht die Haare geschnitten bekommen, jammert er, sie hat mich dazu gezwungen und mir eine hässliche Frisur gemacht, und Gili versucht sofort, ihn zu trösten, sie ist überhaupt nicht hässlich, sagt er großmütig, sie steht dir gut, außerdem wachsen die Haare schnell, du wirst schon sehen, ich habe auch mal so einen schrecklichen Haarschnitt gekriegt, fügt er hinzu und straft unabsichtlich seine vorigen Worte Lügen, erfindet einfach etwas, das nie stattgefunden hat, ja, ja, betont er unter meinem skeptischen Blick, du weißt überhaupt nichts davon, ich war bei Papa und er ist mit mir zum Friseur gegangen und ich habe eine Glatze bekommen, und bis ich wieder bei dir war, sind mir die Haare schon wieder gewachsen.
Seine große Anstrengung, seinen Freund zu beruhigen, erfüllt mich mit beschämtem Staunen, und ich frage, wirklich, und füge sofort hinzu, wieso habe ich das nicht bemerkt, es lohnt sich wirklich nicht, sich wegen einer Frisur aufzuregen, Haare wachsen so schnell, aber ich habe das Gefühl, dass wir alle wissen, auch die Kinder, dass wir nicht über eine Frisur sprechen, an diesem schönen klaren Tag, und ich unterhalte mich mit den Kindern, nicht mit ihr, dabei ist mir klar, sie möchte, dass sie zum Spielen weglaufen, damit wir offen reden können, aber ich, die ich mich vor ihren Worten fürchte, möchte lieber, dass sie bleiben, dass sie mich vor einem Gespräch schützen, das im besten Fall vertraulich ist, deshalb interessiere ich mich für alles, überschwemme sie mit Fragen, die mir Gili normalerweise nur knapp beantworten würde, aber jetzt wetteifern beide darum, wer ausführlichere Antworten gibt, ich frage, wen von den Klassenkameraden sie mögen und wen nicht, wer die netteste Lehrerin ist, welches Fach sie am meisten interessiert, bis Gili ungeduldig wird und seinen Freund zum Rasen zieht, innerhalb einer Sekunde sind sie verschwunden, lassen halb aufgegessene Fladenbrote, klebrige Saftflecken zurück.
In dumpfem Schweigen schaut sie ihnen nach, ausgerechnet als ich schon darauf warte, dass sie anfängt zu sprechen, zögert sie, ihre Hände zerreiben ein Rosmarinblatt, das sie von einem der Sträucher gepflückt hat, dann seufzt sie und sagt, ich mache mir solche Sorgen um Jotam, und ich sammle sorgfältig die Krümel von meiner Hose und frage, warum, und sie antwortet schnell, als fürchte sie sich vor den Worten, mein Mann und ich trennen uns wahrscheinlich, ich wollte dich fragen, wie war das bei euch, wie hat Gili es aufgenommen, wie lange hat es gedauert, bis er sich gefangen hat, ist es in Ordnung, wenn ich das frage? Ich sage, klar ist das in Ordnung, aber das erschreckende Wort, das sie gesagt hat, hallt mir in den Ohren nach, wahrscheinlich, hat sie gesagt, wahrscheinlich, und es ist, als deutete ein langer Finger auf uns wie der Zweig des alten Olivenbaums, der auf uns beide gerichtet ist, du sei nicht zu früh traurig und du freu dich nicht zu früh.
Das Wissen, dass auf eine verzerrte Art mein Glück auf ihrem Unglück beruht, lässt mir die Zunge am Gaumen kleben und ich erstarre, denn wir sind wie Hagar und Sarah, die Frauen Abrahams, und eine von ihnen wird heute in die Wüste gejagt werden, und dort wird sie herumirren, bis sie fast verhungert und verdurstet, aber der Finger, der auf uns gerichtet ist, zittert, hat noch nicht entschieden, wer von uns beiden verjagt wird, ich schaue zu unseren Söhnen hinüber, die zwischen den Wassergräben herumspringen, von weitem sehen sie in ihren dunklen Mänteln aus wie zwei Raben, gleich werden sie ihre schwarzen Flügel ausbreiten und mit düsterem Krächzen über uns hinwegflattern, ihre Flügel werfen Schatten auf die karierte Decke, aus ihren aufgerissenen Mündern dringen Schreie, Schreie von Kindern, deren Familien auseinander gebrochen sind, Schreie verlassener Frauen, Schreie
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