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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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dir, als hätten sich seine Eltern scheiden lassen. Jotam springt auf und schreit, damit bin ich nicht einverstanden, er gehört mir, er wird nur bei mir zu Hause sein, seine trockenen Lippen platzen fast erneut auf, ich ziehe Gili zur Seite, vielleicht gibst du nach, dränge ich, ich erkläre dir später, warum, gib nach und ich kauf dir etwas auf dem Heimweg, aber er weigert sich und fuchtelt mit den Fäusten vor mir herum, nein, das tue ich nicht, ich habe ihn entdeckt.
    Genug, ich frage dich nicht, sage ich, ich entscheide das jetzt, dann ziehe ich ihn hinter mir her, schenke ihnen ein angestrengtes Lächeln, Jotam, Gili lässt dir den Stock, verkünde ich trotz Gilis lautem Widerspruch, und zu ihr sage ich, ich muss los, sei stark, wir unterhalten uns noch, und sie flüstert, danke, beim nächsten Mal werde ich dafür sorgen, dass Jotam nachgibt, und ich antworte ihr im Stillen, wie soll es ein nächstes Mal geben, wenn ich voller Liebe zu deinem untreuen Ehemann bin, und als wir uns von ihnen entfernen, drehe ich mich noch einmal um und präge mir ihren Anblick ein, wie sie dort ratlos neben der karierten Tischdecke stehen, als hätten sie kein Zuhause, zwischen den Resten des Essens und den Resten des Streits, einen großen Stock in der Hand.
    Gilis Weinen folgt mir zunehmend lauter, die ganze Straße scheint ihm zuzuhören, Rollläden werden hochgezogen, Fenster geöffnet, ein wütendes, keuchendes Weinen, als wir ihm von der Trennung erzählt haben, hat er nicht so geweint, auch nicht, als er von der Schaukel fiel und sich an der Lippe verletzt hat, noch nicht einmal, als das neue rote Auto vor seinen Augen überfahren worden ist, ausgerechnet der Verlust eines zufällig gefundenen, überflüssigen Stocks, der mit unserem Abschied bestimmt schon seinen Reiz verloren hat und einfach auf der Wiese liegen gelassen wurde, erweckt in ihm einen unerträglichen Kummer, und ich ziehe ihn mit Gewalt hinter mir her und habe das Gefühl, dass mir der Arm aus der Schulter gerissen wird, es reicht, schimpfe ich, ich kann dieses Geheule nicht mehr hören, und er brüllt, und ich kann dein Geschrei nicht mehr hören, du bist eine böse Mutter, wegen dir habe ich meinen Stock verloren, du hast Jotam lieb, nicht mich.
    Wieso denn, widerspreche ich schnell, ich finde nur, dass man momentan bei Jotam nachsichtig sein soll, ich kann dir nicht sagen, warum, und er heult, ich weiß, warum, ich weiß es besser als du, was ist denn schon dabei, wenn sein Papa ausgezogen ist, mein Vater ist auch ausgezogen, und niemand hat deswegen bei irgendetwas nachgegeben, und ich atme erstaunt die neue Nachricht ein, woher weißt du, dass sein Vater ausgezogen ist? Und er sagt, Jotam hat gesagt, dass seine Eltern sich scheiden lassen, Jotam weiß es also schon, sie haben es ihm bereits gesagt, warum hat sie sich dann mit mir darüber beraten wollen, wie man es ihm am besten erklären soll, und ich versuche, mich zu erinnern, wie sie ihre Frage formuliert hat, war es wirklich ein alltägliches Gespräch zwischen zwei Frauen über ihr gemeinsames Schicksal, oder hat sie mich auf die Probe stellen, mir Schuldgefühle machen wollen?
    Vor der blasser werdenden Sonne gehen wir weiter, ihre Strahlen verlieren schnell an Wärme, berühren zum Abschied meine Haut, und ihre Berührung ist trügerisch und lässt mich erschauern, seine wütende Stimme begleitet mich, er hat damals nicht nachgegeben, warum soll ich jetzt nachgeben, denk dran, dass du mir ein Geschenk kaufst, du hast es versprochen, ich werde ihm den Stock noch abnehmen, was bildet er sich ein, ich war es, der ihn entdeckt hat, was für ein blöder Junge Jotam ist, ich bin überhaupt nicht sein Freund, ich hasse ihn, und ich hasse auch seinen Vater, und ich bleibe erstaunt stehen, was, was hast du gesagt? Und er wiederholt, ich habe gesagt, dass ich Jotams Vater hasse.
    Wie kannst du einen Menschen hassen, den du gar nicht kennst, protestiere ich, was hat er dir getan? Er sagt, natürlich kenne ich ihn, ich kenne ihn besser als du, einmal war ich bei ihnen und er hat geschrien und Jotams Mama hat geweint, und es ist auch nicht schön, dass er seinen Sohn verlässt, und ich sage, er verlässt seinen Sohn nicht, Eltern, die sich scheiden lassen, verlassen doch nicht ihre Kinder, so wie Papa und ich dich nicht verlassen haben, stimmt’s? Er zögert absichtlich mit seiner Antwort, bis sich die Frage von allein verflüchtigt hat, er lässt den Straßenrand nicht aus den Augen, auf der Suche nach

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