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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Haare fallen auf die Tischdecke, und sie bindet sie mit ihren knochigen Händen zusammen, ihre Magerkeit wirkt auf einmal übertrieben und krankhaft, ihre Haut hat einen gelblichen Ton. Du musst dich untersuchen lassen, sagt Michal, auf so was muss man achten, und Keren seufzt, lass nur, das geht schon wieder vorbei, ich hasse Ärzte, und dann fragt sie, ob der alte Wachmann überhaupt fähig sei, unsere Kinder zu schützen, ob der Zaun, der die Schule umgibt, hoch und stabil genug sei.
    Absolute Sicherheit gibt es nicht, sagt Michal, wenn jemand wirklich vorhat, in die Schule einzudringen, können wir das nicht verhindern, wir müssen lernen, mit der Angst zu leben, wir haben keine Wahl, und Keren sagt, trotzdem muss man das Maximum an Sicherheit anstreben, wir müssen einen weiteren Wachmann einstellen oder selbst Wachdienste übernehmen, was meinst du, sie wendet sich an mich, und ich sage, ja, klar, wir brauchen mindestens zwei Wachmänner, wir sind mitten in der Stadt, dann überlasse ich es ihnen, weiterzureden, und hänge meinen Gedanken nach, wer wird unsere Kinder vor uns beschützen, wer wird sie vor ihren Vätern bewahren, wenn einer das Haus verlassen will, kannst du ihn nicht daran hindern, so wenig wie mich jemand daran hindern konnte, kein Wachdienst wird etwas nützen, und ich sehe, wie sich ihre Lippen bewegen, aber ihre Stimmen sind nicht zu hören, denn wieder beherrscht das Wehklagen den vergoldeten Rabenpark, tief und ohrenbetäubend, und ich senke den Blick auf die fleckige Tischdecke, auf der die Reste des Picknicks verstreut sind wie die Reste unserer Unterhaltung. Wem von euch beiden soll ich glauben, handelt es sich um unbegründete Eifersuchtsausbrüche, wie er es nennt, oder um eine reale Geliebte, wie sie behauptet, und ich weiß, dass der Weg zur Wahrheit versperrt ist, die beiden einander widersprechenden Versionen liegen vor mir, und ich muss eine von ihnen auswählen, auch wenn ich nicht genug Fakten in der Hand habe, ich weiß, dass ich aufstehen, meinen Sohn rufen und weggehen sollte, dieses Gespräch ist ein Fehler, auch sie wird das bald herausfinden und vor mir zurückweichen, trotzdem warte ich, bis Keren sich in ihren schwarzen Lederhosen erhebt und sich entschuldigt, dass sie uns gestört hat, wir leugnen es natürlich, doch kaum hat sie sich entfernt, da frage ich zögernd, bist du sicher, dass er eine andere hat? Hat er es zugegeben? Und sie führt wieder die Serviette an ihre Augen, mit zitternden Lippen, und sagt, er braucht es gar nicht zuzugeben, sie lügen doch alle, warum sollte er es zugeben? Schau meine Mutter an, die ganzen Jahre misstraute sie meinem Vater, und er belog sie unaufhörlich, er versuchte ihr einzureden, sie sei verrückt, und sie hat ihm schon fast geglaubt, und auch als sie ihn einmal tatsächlich erwischt hat, sagte er, sie sei selbst schuld daran, sie habe ihn mit ihrer Verrücktheit dazu getrieben, und ich lausche erstaunt ihren Worten, die immer fieberhafter klingen und mich an den Streit erinnern, den ich durch ihre Tür gehört habe. Aber Michal, du musst doch unterscheiden zwischen deinem Vater und deinem Mann, wage ich zu sagen, beschütze den betrügerischen Ehemann, vielleicht ist das eine ganz andere Geschichte, doch ich schweige sofort, denn sie reagiert kalt, verlegen wegen ihres Ausbruchs, schließlich sind wir keine Freundinnen, wir kennen einander kaum, wir schauen uns in misstrauischem Schweigen an, bis uns Geschrei an die Ohren dringt und beide Jungen auf uns zugelaufen kommen, mit einem Stock, den sie mit vier Händen umklammern.
    Ich habe ihn gefunden, brüllt Jotam, der Stock gehört mir, und Gili jammert, ich habe ihn vor ihm gesehen, schau, was für ein großer Stock, habe ich zu ihm gesagt, ohne mich hätte er ihn überhaupt nicht entdeckt, und wir versuchen zu vermitteln, es gibt hier sicher noch so einen Stock, wir werden euch suchen helfen, aber beide weigern sich, jeder hat Angst, der Erste zu sein, der die Beute loslässt, und Michal droht, wenn ihr euch nicht einigt, beschlagnahme ich ihn, dann gehört er niemandem, wir lassen ihn hier, und damit hat sich’s, und schon verteilen wir uns im Park, den Blick zu Boden gerichtet, aber wir finden nur dünnes Reisig, und als wir die Suche ergebnislos beenden und mit leeren Händen zu der karierten Decke zurückkehren, schlägt Gili zögernd vor, vielleicht gehört er uns beiden, er kann ein Stock mit zwei Wohnungen sein, einen Teil der Zeit bei mir und einen Teil der Zeit bei

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