Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
wir werden beide hinter dem leeren Sarg gehen, und er sagt, komm und wohne mit mir zusammen, und ich flüstere, mit dir zusammenwohnen? Hier? Und er sagt, ja, hier ist genug Platz, und ich atme tief, mit misstrauischer Erleichterung, für einen Moment ist es, als besäße sein überraschender Vorschlag nicht die Kraft, die vorbestimmte Trennung zunichte zu machen, sondern nur hinauszuschieben, bis sie noch schmerzhafter sein würde, noch herzzerreißender.
Du hast es geschafft, mich durcheinander zu bringen, sage ich vorsichtig, zweifle insgeheim an seinem Verstand, ich habe gedacht, ich hätte dich verloren, ein leichter Vorwurf liegt in meiner Stimme, eine Beschwerde darüber, dass das, was ich vorausgesehen habe, sich nicht verwirklicht hat, und er sagt, ich weiß, ich auch. Und was hat sich geändert, frage ich, und er sagt, ich habe verstanden, dass ich dir mehr Sicherheit geben muss, und ich brauche auch von dir mehr Sicherheit, vielleicht wird das möglich, wenn wir größere Klarheit schaffen, und ich atme tief, aber Oded, das geht zu schnell, wir kennen uns noch nicht, und er lächelt, hast du je von einer besseren Methode gehört, sich kennen zu lernen?
Aber was ist mit den Kindern, beharre ich, es ist zu früh für sie, wir können das nicht alles auf ihre Kosten ausprobieren, und er sagt, machen wir es schrittweise, wenn wir uns einig sind, werden sie sich daran gewöhnen, und ich probiere die Worte aus, wenn wir uns einig sind, als wären wir uns jemals einig gewesen, und ich habe das Gefühl, als offenbarten sich mir plötzlich alle möglichen Gerüchte über Liebe und Glück, und ich wundere mich noch nicht einmal darüber, wie spät das kommt, sondern wie früh, schließlich kann man auch das Leben verlassen, ohne diesen Geschmack je verspürt zu haben, dein Glück ist mein Glück, mein Glück ist dein Glück, ja, warum sollen wir nicht vollkommen eins sein wie ein Laib Brot, wie ein Foto in einem Album, wie ein zusammengeklebter Tonkrug, wenn wir versuchen, die Scherben unserer Familien zusammenzukitten, werden wir das, was von unseren Wünschen geblieben ist, zusammenfügen, werden wir eins sein, wenn wir uns niederlegen und wenn wir aufstehen, vollkommen eins in unserer vorläufigen Existenz, die man irrtümlicherweise als Ewigkeit begreift, vollkommen eins werden wir sein in unserem Schmerz und unserer Schuld, bei unserem Niedergang und unserer Auferstehung.
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17
Gleich wird der Autoverkehr innehalten, die Fußgänger werden wie angewurzelt stehen bleiben, gleich wird die Sirene zum Tag der Erinnerung ertönen, die Kellnerin, die mit dem bestellten Kaffee auf uns zukommt, wird neben uns erstarren, bewegungslos wie eine Wachsfigur, und er selbst wird vor mir erstarren, mit seinen zusammengepressten Lippen, den geschliffenen hellblauen Augen, wenn ich ihm die Neuigkeit mitteile, wenn ich zu ihm sage, Amnon, ich habe jemanden kennen gelernt, ich werde zu ihm ziehen, und obwohl unsere Trennung schon Monate her ist, kommt es mir vor, als wäre sie gerade erst vollzogen worden, als wäre soeben die Stimme vom Himmel erklungen und hätte verkündet, die Tochter von dem und dem ist nicht mehr für den bestimmt, sondern für einen anderen, und sie ist aufgefordert, zu ihm zu ziehen, mit allem, was sie ihr eigen nennt, mit ihren Möbeln, ihren Kleidern, ihren Büchern, und mit ihrem einzigen Sohn, der ihr geboren wurde, in die Gasse der Bußgebete, in seine Wohnung, und nie in die ihre zurückzukehren.
Seine breiten fleischigen Hände fahren mit einer angespannten Bewegung über seinen Kopf, seine Wangen blasen sich auf wie Schwämme, die sich voll Wasser saugen, es sieht aus, als spanne sich sein Körper vor mir, fülle sich mit den Resten des alten Zorns, der Frustration und der Eifersucht, seine Augen werden rund vor Erstaunen, einem Erstaunen, das mir von Gilis Gesicht so vertraut ist, und er sagt, ich glaube es nicht, Ella, noch vor ein paar Wochen wolltest du zu mir zurück, du warst bereit, alles zu tun, damit ich wieder zu dir komme, und jetzt stellt sich heraus, dass du jemanden hast und sogar schon bei ihm einziehen willst? Was soll das werden?
Ein Vorhang aus Fremdheit senkt sich von der Decke, teilt unseren Tisch wie ein dunkles Schattennetz, entfernt mich von ihm, ich sitze ihm allein gegenüber, aber ich habe das Gefühl, auf den Knien meines neuen Geliebten zu sitzen und zwischen seinen Armen hindurch den Mann zu betrachten, dessen Bewegungen so grob sind, der Stempel der neuen Liebe
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