Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
der erste Versuch eines familiären Alltagsgesprächs, und er sagt, es ging, und belässt es dabei, er betrachtet düster die Kartons, und ich sage schnell, mach dir keine Sorgen, morgen sind sie alle weg, und sofort zerschneide ich mit einem scharfen Küchenmesser die Klebstreifen, hole verlegen Töpfe und Pfannen heraus, suche für alles einen Platz, wenigstens muss man sie nicht zusammenfalten, so viele Kochbücher, und da fällt aus einem eine helle Glückwunschkarte, ich klappe sie auf, oben steht das Datum unseres Hochzeitstags, dann in geschraubten Formulierungen und runden Buchstaben: für die liebe Ella und den lieben Amnon zu ihrer Vermählung, es mögen Euch nur Tage des Glücks beschert sein. Der Name des Absenders ist mir unbekannt, vermutlich war es einer von Amnons Studenten, ich betrachte die Karte, die aus einer anderen Zeit hier eingedrungen ist, was soll ich mit ihr machen, liebe Ella und lieber Amnon, was soll ich mit ihnen anfangen, und fast hätte ich ihn gerufen, damit er sie sich ansieht, damit er sich genauso wie ich über dieses lächerliche, genau datierte Andenken wundert, aber ich lasse es bleiben, ich lege die Karte wieder zwischen die Buchseiten, als gälten auch hier die Gesetze einer Ausgrabung und als müsste ich auch hier jedes Fundstück an seinen Platz zurücklegen, bis zum Ende der Dokumentation.
Und ich fühle die Anspannung, als würde ich heimlich von feindlichen Blicken verfolgt, es scheint, als hätte ich mich hier vor seiner Ankunft wohler gefühlt, wo ist er überhaupt, das Wohnzimmer scheint leer zu sein, doch dann entdecke ich ihn in der Sofaecke, seine schwarze Kleidung wird von dem dunklen Leder verschluckt, trotz der Dämmerung hat er kein Licht angemacht, und ich schlitze mit dem Messer die Kartons auf und habe plötzlich das Gefühl, als hätte ich sie vor unendlich langer Zeit gepackt, sie sind von einer ermüdenden Reise zurückgekommen, wie ein verirrter Koffer, der durch die Flughäfen der Welt gereist ist und dessen Inhalt man, wenn er endlich eintrifft, nicht mehr benötigt. Für wen sind diese bemalten Keramikteller bestimmt, welches Essen wird man auf ihnen servieren, welche Familie wird von ihnen essen, und als ich aus dem zerknitterten Zeitungspapier die Kakaodose wickle, auf der ein fröhlicher Hase abgebildet ist, drücke ich sie an mein Herz, als wäre sie ein kostbarer Gegenstand, den ich aus Trümmern gerettet habe, und ich stelle sie ganz hinten in den Schrank, damit fremde Hände sie nicht berühren können.
Vor meinen Augen, hinter dem breiten Küchenfenster, neigt sich die Sonne zu den Wipfeln der Kiefern herab, sie tupft rötlich goldene Flecken auf den Marmor, und ich werfe einen Blick auf die Uhr, schon halb fünf, im letzten Winter ist er bis nachmittags im Kindergarten geblieben, und genau um diese Uhrzeit waren im Treppenhaus die festen Schritte eines Mannes zu hören, und gleich danach die eines Kindes, Schritte, die so leicht waren, dass sie kaum den Fußboden berührten. Ist es der flache Winkel des Sonneneinfalls, der Sehnsucht in mir weckt, im Allgemeinen kam Amnon wütend von der Universität zurück, voller Klagen, und füllte die Wohnung mit seinem Verdruss, der zwar manchmal anstrengend war, mir aber jetzt einen enttäuschenden und grausamen Moment lang fehlt, während Oded mit schwacher Stimme meine Fragen beantwortet, und als ich mir in der mit Kartons voll gestopften Küche Kaffee koche, fühle ich plötzlich eine brennende Angst, als wäre ich beim Ehebruch ertappt worden, noch nicht einmal beim Verrat an einem Mann, sondern an einer Familie, an einer Bestimmung, an der Heimat. Ist ausgerechnet das Kaffeekochen in dieser fremden Küche, mit einer Tasse, die ich von zu Hause mitgebracht habe, der wirkliche Treuebruch, viel schlimmer als das sexuelle Vergnügen auf dem schwarzen Ledersofa, wie geheimnisvoll ist doch das Buch der Gesetze. Wenn du wirklich zu einem anderen ziehst, streiche ich dich endgültig aus meinem Leben, hat er gesagt, und ich drehe den Rücken zum Fenster, betrachte den Mann, der von dem Sofa aufgesogen wird, die Ellenbogen auf den Knien, und einen Moment lang scheinen wir Fremde zu sein, weshalb haben wir uns hier getroffen, zu welchem Zweck haben wir unsere Kinder zusammengeführt, damit sie zu Geschwistern werden, frage ich mich, während die feinen Sonnenstrahlen, die schräg durch die Kiefern fallen, Trauer über uns werfen.
Willst du Kaffee, Oded, frage ich, und er antwortet, nein danke, und ich gehe
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