Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
unserer alten Wohnung, und da ist unser Haus, es ist schön, nicht wahr? Immerzu das Wort »unser«, wie klebriger Auswurf, und wir steigen die Treppe hinauf, ich habe den Schlüssel schon in der Hand und schlage ihm vor, vielleicht willst du unsere Tür aufschließen, und freue mich, als er begeistert reagiert, endlich lässt er meine Hand los und nimmt den Schlüssel, doch schon lässt er ihn fallen, der Aufschlag hallt klirrend durch das Treppenhaus, wieder versucht er es, seine Finger, die an diese Aufgabe nicht gewöhnt sind, umklammern den Schlüssel, angestrengt drehen sie ihn in die falsche Richtung, und ich erkläre, Gili, jetzt hast du abgeschlossen, und erst als ich meine Hand auf seine lege und sie bewege wie die Hand einer Puppe, gibt die Tür nach, und er läuft schnell und neugierig in die fremde Wohnung.
Wo ist mein Zimmer, fragt er sofort, und ich führe ihn aufgeregt hin, seine Hände gleiten rasch über das Fell der Kuscheltiere, wühlen in den Strohkörben, um sicherzugehen, dass nichts fehlt, da sind meine Farben, verkündet er, wie ein Händler, der seine Waren anpreist, und da meine Playmobilsachen, da die Karten, die Murmeln, er wundert sich über die kleinsten Gegenstände, die es geschafft haben, heil hier anzukommen, und erst als er sich beruhigt hat, stürzt er sich begeistert auf das Geschenk. Eine Ritterburg, schreit er und legt sich auf den Teppich, und schon fliegt das zerrissene Einwickelpapier durch das Zimmer und die Burg bietet sich uns in ihrer ganzen Pracht dar. Ich lasse ihn allein in seinem Zimmer und gehe in die Küche, langsam durchquere ich den Flur, das Gesicht ihm zugewandt, sehe, wie er immer tiefer ins Spiel versinkt. Wie seltsam es ist, hier in diesem fremden Haus vor dem Herd zu stehen, ihn nebenan zu wissen und auf ganz gewöhnliche Art zum Essen zu rufen, das Essen ist fertig, Gili, sage ich, und er fragt, wo ist die Küche? Musst du suchen, sage ich, los, such mich, und das macht ihm Spaß, er kommt angerannt, umarmt meine Hüften und staunt, du hast meinen Teller mitgebracht, und ich sage, natürlich habe ich deine Sachen mitgebracht, du wirst nichts vermissen.
Auch den Kakao, fragt er besorgt, als wäre der Kakao sein kostbarster Besitz, für den es keinen Ersatz gibt, und ich ziehe wie eine Zauberin die runde Dose aus dem Schrank, natürlich habe ich auch den Kakao mitgebracht, und er sagt, vergiss nicht, dass er nur uns gehört, und dann macht er sich genüsslich über die Pommes frites und das Schnitzel her, selbst der Salat schmeckt ihm, er verlangt sogar einen Nachschlag, was sonst fast nie vorkommt, das Essen in der neuen Wohnung schmeckt gut, entscheidet er mit lauter Stimme, und ich sage, iss nur, aber sein erstaunlicher Appetit beunruhigt mich, will er etwa, dass nichts für die anderen Kinder übrig bleibt, ist das seine Methode, sein Territorium zu markieren? Der Salat schmeckt super, verkündet er und fragt, ob er noch welchen haben kann, seine Stimme ist laut, fast schreiend, als befände er sich weit entfernt von mir, als säßen wir einander auf zwei Berggipfeln gegenüber und riefen uns Liebesworte zu.
Er scheint alles hinunterzuschlingen, ohne zu kauen, er saugt das Essen in seinen dünnen Körper, und ich schlage vor, vielleicht ruhst du dich ein bisschen aus, damit du kein Bauchweh bekommst, registriere dann die Krümel, die wie ein Halbmond unter seinem Stuhl verstreut liegen, und als im Treppenhaus etwas zu hören ist, bücke ich mich schnell und sammle sie auf, als wären wir Gäste auf Bewährung, und auch er schaut beunruhigt zur Tür, fragt flüsternd, kommen sie, wach und gespannt wie ein wildes Tier, und ich sage, noch nicht, Talja und Jo’av kommen erst in einer Stunde. Nein, was ist mit Jotam und Maja, fragt er, und ich sage, sie kommen erst morgen, da atmet er erleichtert auf, nervös vor seinem leeren Teller sitzend, was soll ich jetzt machen, und bevor er sich Erinnerungen und Vergleichen hingeben kann, schlage ich schnell eine Besichtigung der Wohnung vor, zeige ihm das Schlafzimmer und die Zimmer von Maja und Jotam, und er schaut sich vorsichtig um, mit bebenden Nasenflügeln, er fasst nichts an, zieht mich schnell weiter, er möchte nur in seinem eigenen Zimmer sein, und als wir dorthin zurückkehren, fragt er, warum haben die anderen keinen Vorhang, nur ich, ich will auch keinen Vorhang, aus irgendeinem Grund macht er den Vorteil zu einem Nachteil, und als er ihn aufzieht, beschwert er sich nicht über die Aussicht vor
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