Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
stellst alles auf den Kopf, und ich frage beleidigt, was meinst du damit, und sie sagt, bevor du etwas machst, bist du immer viel zu überzeugt von deinen Plänen und hinterher viel zu wenig, schau dir doch bloß dein schuldbewusstes Gesicht an, als würdest du deinen Sohn zur Schlachtbank führen.
Wirklich, frage ich erstaunt, ich habe gedacht, ich strahle Sicherheit und Ruhe aus, und sie sagt, Sicherheit, wirklich, du kannst niemanden täuschen, am wenigsten Gili, und ich seufze wieder, was schlägst du mir also vor? Dein Hosenanzug wird ihn nicht im Geringsten beeindrucken, und die Absätze erst recht nicht, versuche einfach, selbst etwas zufriedener zu sein mit dem Schritt, den du gemacht hast, du hast eine große Wohnung, du hast einen Mann in deinem Leben, einen Mann den du liebst, du hast die Chance, mit ihm eine neue Familie zu gründen, freu dich doch ein bisschen, sei doch nicht so verkrampft.
Du hast Recht, wie immer, gebe ich zu, das Problem ist, dass ich jetzt, da ich hier bin, nur das sehe, was nicht mehr da ist, und sie schimpft, es reicht, hör auf damit, ich habe das Gefühl, dass du auf dem besten Weg bist, auch deine neue Beziehung kaputtzumachen, was ist los mit dir, ist es das, was du willst? Ich warne dich, nicht alle Männer sind so geduldig wie Amnon, und ich frage verwundert, Amnon und geduldig? Was redest du da? Es stimmt ja, dass er schnell gereizt ist, sagt sie, aber in einem tieferen Sinn hat er dich so akzeptiert, wie du bist, er hat sich mit deiner ewigen Krittelei abgefunden, und ich protestiere, was für eine Krittelei, das meiste habe ich für mich behalten oder nur dir erzählt, und sie sagt, vielleicht, aber die ganze Zeit hast du Unbehagen ausgestrahlt, und das war bestimmt nicht leicht für sein empfindliches Ego. Ich gieße uns Kaffee ein und sehe sie erstaunt an, wie kommst du darauf, Talja, erinnerst du dich nicht, wie er sich über alles, was ich getan habe, beklagt hat, wie oft ich gekränkt war, und sie rührt nachdenklich und langsam Zucker in ihren Kaffee.
Oberflächlich gesehen vielleicht, sagt sie, aber du hast immer gewusst, dass seine Liebe nicht davon beeinflusst wird, was du tust oder sagst, er hingegen muss gespürt haben, dass du ihn nur unter bestimmten Bedingungen liebst, dass er sich deiner Liebe nie sicher sein kann, Tatsache ist doch, dass du ihn am Ende verlassen hast, nicht er dich, und ich zucke überrascht die Schultern, mir scheint, als breite sie ein ganz anderes Eheleben vor mir aus, nicht meines, ich schaue aus dem großen Küchenfenster, die Schatten von Kiefern zeichnen ihre Silhouetten mit schwarzer Kohle auf die Wände des gegenüberliegenden Hauses, graue Sperlinge werden zwischen den Zweigen verschluckt. Gleich wird es regnen, sage ich, ich habe gedacht, der Winter sei vorbei, und plötzlich fängt alles von vorn an, und sie betrachtet mich forschend, du siehst so besorgt aus, ich verstehe dich nicht, wenn du solche Angst um deinen Jungen hast und so empfindlich auf jede Regung von ihm reagierst, warum hast du ihm dann die Familie zerstört, das passt nicht zusammen, und ich seufze, das ist ein komplizierter Prozess, er lässt sich nur schwer jemandem erklären, der ihn nicht selbst durchgemacht hat, meine Empfindlichkeit, was Gili betrifft, hat sich seit der Trennung immer mehr gesteigert, je klarer mir wurde, welchen Preis er bezahlen muss, und sie sagt, das Problem ist, dass ihm das nicht gut tut, gib dir nicht solche übertriebene Mühe mit ihm, sei ganz natürlich, er darf ruhig wissen, dass es dir auch schwer fällt, vermittle ihm ein ehrliches Bild der Situation, das wird es ihm leichter machen, glaub mir, er wird sich dann weniger allein fühlen mit seinem Problem.
Wann machst du endlich mal einen Fehler, zische ich böse, damit ich dir auch eine Moralpredigt halten kann, und sie lacht, ich glaube, ich habe schon einen Fehler gemacht, die Kleine läuft ja frei in der Wohnung herum, wer weiß, was sie anstellt, und sofort springen wir beide auf und finden sie auf Majas Bett, wo sie fröhlich die Bücher und Hefte voll schmiert, die sie vom Tisch gezogen hat, aus ihrem Mund tropft Babyspucke, und ich erschrecke, Jasmini, was hast du getan, was soll ich bloß Maja sagen, und Talja zerrt sie aus dem Zimmer, während die Kleine mit den Füßen strampelt und krampfhaft einen violetten Filzstift festhält, als wollte sie ihr Werk auf den Fußbodenfliesen vollenden.
Es tut mir Leid, Ella, reg dich nicht auf, so etwas passiert in jeder
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