Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
Vom Netzwerk:
Berührung gekommen, gegen das ich allergisch bin, es kitzelt in meinen Nasenlöchern, und ich niese und reibe mir unaufhörlich die Nase, und er wirft mir im Rückspiegel einen Blick zu und fragt, alles in Ordnung? Und als könnte er meine Gedanken lesen, schlägt er vor, wenn es dir unbequem ist, dann schiebe Jotam doch ein bisschen zur Seite, und ich antworte tapfer, nein, es geht schon, und das sind die einzigen Worte, die wir während der langen Fahrt miteinander wechseln, gute drei Stunden, und je länger die Fahrt dauert, desto größer wird meine Reue, sie sitzt neben mir, lehnt ihren Kopf an meine andere Schulter, warum bin ich überhaupt mitgefahren, und ich betrachte die Reklameschilder, die uns verfolgen, nur dieser Joghurt wird Sie erretten, nur ein neues Handy, ein revolutionäres Waschpulver.
    Von Zeit zu Zeit erheben sich zwischen den zu schnell erbauten Siedlungshäusern, die sich zusammendrängen wie aufgeschreckte Herden, die begrabenen Städte der Vorzeit, runde oder kegelförmige Hügel, Siedlungen, die wieder und wieder auf alten Ruinen erbaut worden sind, die gefallen und wieder auferstanden sind, und es scheint, als winkte mir jeder einzelne Ruinenhügel mit vom Alter gekrümmten Fingern zu, wie ein Freund aus der Vergangenheit, der weiß, dass er kaum wiederzuerkennen ist, aber vielleicht ist es auch mein Gesicht, das sich bis zur Unkenntlichkeit verändert hat. Vorhin habe ich den Tel Geser erkannt, und gleich wird sich der kopflose Kegel von Megiddo zeigen, der Schutthaufen neben dem Tel, wie ein doppelter Kamelhöcker, und bald werden wir auch Chazor erreichen, das sind die Städte Salomos, die den Archäologen erstaunliche Funde geliefert haben, Paläste aus behauenen Steinen und stilisierte Tore, ausgeklügelte Bewässerungsanlagen, doch letztlich waren es genau diese Ruinenhügel, die bewiesen haben, dass es nie ein vereinigtes Königreich gab, das sich auf Jerusalem gründete, ein gewaltiges Reich mit einer wunderbaren Hauptstadt, und dass das sagenhafte Reich Davids und Salomos nichts anderes war als ein kleines Land um Jerusalem, und es scheint, als hätte meine eigene Vergangenheit etwas mit der Vergangenheit jener Hügel zu tun, die wieder und wieder ausgegraben wurden und jedes Mal ein anderes Gesicht zeigten, und ich betrachte sehnsüchtig den sich wölbenden Bauch der Erde, der uralte Embryonen in sich trägt, Tausende von Jahren alt, die nicht geboren werden wollen. Da ist Megiddo, dort wachsen Dattelpalmen, Feigen und Johannisbrotbäume, fast zweihundert Stufen sind wir hinuntergestiegen, auf einer Treppe, die sich abwärts windet bis zu der unterirdischen Höhle, die in den Fels gehauen wurde, bis wir die Mitte des Berges erreichten, die Höhle neben dem Tel, erschaudernd betrachteten wir den Raum über der Quelle, dort waren zwei Skelette gefunden worden, direkt nebeneinander. Wasser tropfte vom Felsen in die Quelle und ließ ein Plätschern hören, so rhythmisch wie ein schlagendes Herz, wir waren allein, und Amnon sagte, wenn es jetzt ein Erdbeben gibt und der Eingang einstürzt, wird man von uns auch nur zwei Skelette finden, bestimmt glauben sie dann, wir wären Vater und Tochter.
    Nicht weit von hier erhebt sich der Tel Jesreel, der verletzte Tel, der versehrte, aufgedeckte, enttäuschende Tel, der den Streit entschieden hat, es war unmöglich, die Überreste der steinernen Paläste Salomo zuzuordnen, nur den berüchtigten Königen des Hauses Omri, ausgerechnet sie waren es, die den Traum der Bergherrscher verwirklichten und ein großes Reich errichteten, und die Erinnerung weckt in mir ein tiefes tröstliches Gefühl, wie ich es schon lange nicht mehr empfunden habe, wie glücklich war ich dort, auf diesem abgegrenzten Gebiet der Ausgrabung, immer wieder die Erde siebend, grau vom Staub.
    Als sich die Straße den Feldern nähert, wo undeutlich die letzten Blüten des Winters zu sehen sind, wird das Licht immer schwächer, ich schließe die Augen, stelle mich schlafend, und erst jetzt verstummt Maja, als wäre ihr unentwegtes Reden allein gegen mich gerichtet gewesen, und in die Stille, die sich in dem überheizten Auto ausbreitet, dringen auf einmal die Klänge eines einzelnen Cellos, vielleicht aus dem Radio, es klingt verwirrend wie die Stimme eines Menschen, eine Melodie, die sich immer wiederholt, wie ein Gedanke, der einen nicht loslässt. Wie viele Gesichter hat die Traurigkeit, jeder Ton drückt eine andere aus, und ich habe das Gefühl, als säße ich allein

Weitere Kostenlose Bücher