Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
meine neue Identität zu gewöhnen, ich treffe selten Menschen, die mich nicht von früher kennen, die Amnon nicht kennen, für sie bin ich eine Frau, die eine gescheiterte Familie hinter sich hat, eine vergangene Familie, die sie stumm überallhin begleitet, wie ein dunkler Schatten, sogar bis hierher, in dieses Dorf im Galil.
Du hast eine Tochter, fragt sie, die so alt ist wie Jotam, nicht wahr? Vermutlich kramt sie in ihrem Gedächtnis nach allem, was sie über mich gehört hat, und ich korrigiere sie sofort, einen Sohn, keine Tochter, und sie fragt, und wie kommen die drei miteinander aus? Es geht so, sage ich, es ist nicht leicht, und sie verkündet sofort in einem nicht besonders angenehmen Ton, warum sollte es auch leicht sein? Ich habe gleich zu Oded gesagt, dass es verrückt ist, unter solchen Umständen zusammenzuziehen, warum soll man es den Kindern noch schwerer machen? Aber du weißt ja, wie Männer sind, sie überlegen nie zu Ende, er ist zwar ziemlich gescheit, aber auch er hat seine schwarzen Löcher, die Leichtigkeit, mit der sie unsere Entscheidung als Fehler bezeichnet, als Fehler, den ich hätte vermeiden müssen und nicht vermieden habe, lässt mich zusammenzucken, während ich vor ihrem bedrohlich wirkenden grauen Bild stehe.
Ein Fehler, so eindeutig, dass jedes Kind ihn gesehen hätte, und jetzt bleibt uns nichts anderes übrig, als ihn zuzugeben und uns davon zu befreien, jeder seiner Wege zu gehen, mit seinen Kindern, und ich werfe ihm einen Blick zu, warte, dass er etwas zu seiner Verteidigung sagt, aber er trinkt nachdenklich einen Schluck Bier, seine Lippen schließen sich um den Flaschenhals, und schließlich sagt er, ich bin mir nicht sicher, ob die Kinder das Problem sind.
Natürlich nicht, verkündet sie, die Kinder spiegeln nur eure eigenen Schwierigkeiten wider, aber sie sind anpassungsfähiger als ihr, und sie wachsen schnell, merkt euch, was ich euch sage, wer hat schon mitten im Leben genug Kraft für solche Veränderungen, ich bestimmt nicht, dabei ist es mein Traum, allein zu leben, verkündet sie, und sofort zischt sie, wo treibt er sich nur herum, und Oded lacht, siehst du, du hältst es nicht mal eine Stunde ohne ihn aus, und sie winkt ab, was redest du da, es sind nur die Fladenbrote, die mir fehlen, nicht er, hört zu, kurz bevor ihr gekommen seid, habe ich im Fernsehen eine tolle Sendung über Indien gesehen, über die Kaste der Unberührbaren, es ist erschütternd, wie die leben. Sie wendet sich an mich, wie eine Lehrerin an eine unaufmerksame Schülerin, weißt du, was mich am meisten erschüttert hat, dass sie auch bei den nächsten Reinkarnationen nicht von diesem Fluch befreit werden, auch nach der Wiedergeburt werden sie unberührbar sein, das ist doch schrecklich, oder? Ich nicke, schaue ihr misstrauisch ins Gesicht, ob sie vielleicht versucht, mir etwas anzudeuten, die Reste ihrer Schönheit treten immer deutlicher hervor, je länger ich sie betrachte, sie versucht nicht, die Zeichen des Alterns zu verbergen, wie es üblich ist, sie wirkt stolz und herausfordernd, als wolle sie sagen, wenn ich nicht mehr so schön sein kann, wie ich einmal war, dann ziehe ich es vor, mich nicht auch noch von den vergeblichen Versuchen erniedrigen zu lassen, diese Tatsache zu verdecken.
Da ist er, verkündet sie, als ein groß gewachsener kahlköpfiger Mann mit vollen Plastiktüten das Haus betritt, und ich schaue ihn erstaunt an, er sieht Amnon sehr ähnlich, die gleiche nachlässige Haltung, die gleichen schlenkernden Glieder, und ich denke, das hat mir hier gerade noch gefehlt, vor den wachen Augen der Gastgeberin auf einen Doppelgänger Amnons zu treffen, und da springen Maja und Jotam bereits auf ihn zu, und er sagt verwundert, ihr seid aber gewachsen, Maja, du bist bildschön geworden, und du ein richtiger kleiner Mann, bald könnt ihr schon allein herkommen, ohne Mama und Papa, ihr könnt mir auf dem Feld helfen, und Orna verzieht das Gesicht, nun mach mal halblang, Dani, ich habe nicht die Kraft, mich um zwei kleine Kinder zu kümmern, du lädst doch wieder nur alles auf mir ab, und dann kommt er auf uns zu, seine Oberlippe steht leicht vor, was ihm ein kindliches Aussehen verleiht, sein Blick bleibt mit offener Neugier an mir hängen, er streckt mir die Hand entgegen. Du bist also die neue Frau, will er wissen und schüttelt rhythmisch meine Hand, alle Achtung, Oded, er wendet sich an Orna, du siehst, alle suchen sich junge Frauen, nur ich bleibe an dir hängen, und sie
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