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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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auf dem Rücksitz, das einzige Kind meiner Eltern, und lauschte widerwillig den Erklärungen meines Vaters, die er mit seinen typischen Handbewegungen begleitet, das ist der Bergweg, das ist der Königsweg, das ist der Weg des Fleisches, hat er es wirklich so gesagt, der Weg des Fleisches, und im Auto war es immer glühend heiß, die Fenster offen, ein warmer Wind schlug mir ins Gesicht. Sind wir wirklich immer nur im Sommer gefahren, den Propheten folgend, den Königen, den Kreuzrittern, den Pilgern, Kriegen, in denen das Blut der Wörter vergossen wurde, unwirkliches Blut, das kaum zu betrauern war, das Blut vieler Menschen, fremder Menschen, die ohnehin schon lange tot waren, selbst wenn sie nicht in jenen Kriegen durch das Schwert gefallen wären, wären sie nicht mehr unter uns gewesen, und ich betrachtete seine immer ordentliche Frisur, der sogar der Wind nichts anhaben konnte, fragte mich, wann er endlich aufhören würde zu reden, und versuchte, mir seinen Kopf ohne Haare vorzustellen, seinen Kopf ohne Mund, würde er schweigen, wenn ich aus dem fahrenden Auto spränge, oder würde er einfach weiterreden, ohne zu bemerken, was passiert war? Die Christen nennen diesen Tel Armageddon, eine Abwandlung von Har Megiddo, er erhob seine Stimme und blieb mit quietschenden Reifen am Straßenrand stehen, im Neuen Testament wird dieser Ort erwähnt, hier soll der letzte Kampf zwischen den Söhnen des Lichts und denen der Finsternis stattfinden, er wandte sein Gesicht zurück, um sich zu vergewissern, dass ich auch zuhörte, du schläfst, schrie er mich an, ich rede mit dir und du schläfst, und meine Mutter verteidigte mich sofort, was willst du denn, sie ist müde, warum darf sie nicht ein bisschen dösen, und er schimpfte, wie immer, sie ist müde, weil sie wieder mal zu spät nach Hause gekommen ist, wer weiß, was sie dort gemacht hat, für ihre Partys hat sie Kraft genug, aber wenn ich versuche, ihr die Geschichte dieses Landes zu erklären, bringt sie kein Interesse auf, er wandte sich wieder zu mir, warnend, du solltest zuhören, das hat mehr mit dir zu tun, als du glaubst.
    Die Dämmerung taucht unsere Gesichter bereits in ein kühles Violett, als das Auto vor einem niedrigen Haus am Ende einer Straße stehen bleibt, und endlich löst sich Jotams Kopf von meiner Schulter, mir ist übel, murmelt er und fährt sich mit der Zunge über die aufgesprungenen Lippen, wann kommen wir an? Wir sind schon da, du Dummkopf, antwortet Maja spöttisch, siehst du das nicht? Er drückt sich an mich, Mama, sag ihr doch, und erst dann merkt er, dass ich nicht seine Mutter bin, und ich flüstere ihm zu, beachte sie nicht, du bist ein bisschen durcheinander, weil du geschlafen hast, ich bin bereit, mit ihm ein Bündnis gegen sie zu schließen, aber als wir ausgestiegen sind und sie sich ihm nähert, hüpft er leichtfüßig an ihre Seite, vergisst meine Schulter, die ihm als Kopfkissen gedient hat, und ich folge ihnen die schmalen Holzstufen hinauf, die zum Haus führen, Oded geht an der Spitze, die Taschen in der Hand, Maja hopst hinter ihm her, dann folgt Jotam und am Schluss ich, meine Stellung ist unklar, ich bin weder die Partnerin noch die Mutter, kein Au-pair-Mädchen und keine Freundin der Familie, auch ihr Vater scheint meine Anwesenheit vergessen zu haben, er dreht sich kein einziges Mal zu mir um, um sicherzugehen, dass ich noch da bin, er bleibt nicht stehen, um auf mich zu warten, bis ich plötzlich Lust bekomme, mich einfach davonzumachen und sie, unter den Willkommensrufen der Gastgeber, allein in dem erleuchteten Haus verschwinden zu lassen, mir die Tasche über die Schulter zu hängen und weiterzugehen, schließlich bin ich in jedem Haus, an dessen Tür ich zufällig klopfe, willkommener als in diesem. Vielleicht werde ich heute Nacht dort schlafen, auf dem Tel Jesreel, zwischen den Ruinen der königlichen Ausgrabungsstätte, und mich mit Erde zudecken, und ich bleibe stehen und warte, dass die Tür sich hinter ihnen schließt, aber sie bleibt offen, und der grauhaarige Kopf einer Frau schaut heraus, Ella, sagt sie, als würden wir uns kennen, warum bleibst du draußen stehen, komm herein, es ist nicht so, dass wir Michal erwartet haben, wir sind auf dem Laufenden.
    Wenn du wirklich auf dem Laufenden wärst, würdest du wissen, dass ich hier nichts zu suchen habe, sage ich leise, überrasche mich selbst damit, aber sie lächelt auf eine natürliche Art und sagt, so fühlst du dich also? Na gut, wir werden bald über

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