Liebesnacht im Wuestenpalast
absichtlich in einen Hinterhalt locken. Ich kenne ihn schon, seit er ein kleiner Junge gewesen ist.“ Er zeigte auf Shafir. „Schauen Sie einmal genau hin, dann erkennen Sie, dass er zuhört. Die Männer haben etwas auf dem Herzen. Der Scheich wird ihnen helfen.“
Megan sah angestrengt in die Richtung, in die Hanif zeigte. Shafir legte den Kopf schräg zur Seite – das hatte er auch getan, als sie ihm vom Unfall ihres Bruders erzählt hatte. Ab und zu nickte er leicht. Inzwischen kannte sie diese Geste sehr gut.
Die Männer würden ihn nicht entführen. Oder töten.
Sie würde noch viele Gelegenheiten haben, in seine bronzefarbenen Augen zu schauen, ihn zu berühren, mit ihm zu reden.
Schließlich riss Shafir sein Pferd herum und ritt zu ihr und Hanif zurück. Megan wollte dem Gefühl, das sie jetzt durchströmte, keinen Namen geben.
Aber sie wusste, dass sie nie mehr behaupten würde, dass sie ihn hasste.
Megan kletterte die Leiter des größten Pools im ganzen Garten hinab. Das Wasser schwappte angenehm kühl um ihre Beine. Langsam ließ sie sich in das erfrischende Nass gleiten, dessen Oberfläche in der Abendsonne glitzerte.
Obwohl sie sich vor den fremden Männern sehr erschrocken hatte, bereute sie den Ausflug in die Wüste nicht. Sie hatte den Mann, der so widersprüchliche Gefühle in ihr wachrief, von einer ganz neuen Seite kennengelernt.
Shafir hatte sie beschützt.
Vorhin hatte sie große Angst um ihn gehabt. Nicht auszudenken, wenn ihm etwas passiert wäre.
Ganz allmählich war er sehr wichtig für sie geworden.
Die Ärzte nennen es das Stockholm-Syndrom, dachte sie spöttisch. Die Gefangene wird von ihrem Entführer abhängig.
Um sich von diesem Gedanken abzulenken, tauchte sie tief in das Wasser ein und schwamm zur anderen Seite des Beckens. Unter ihr sah sie das leuchtende Mosaik aus azurblauen und braunroten Kacheln. Als sie wieder auftauchte, sah sie den Mann, der sie so durcheinanderbrachte, auf einem Liegestuhl neben dem Becken sitzen. Er zog sich gerade die Schuhe aus. Um die Hüften hatte er ein Handtuch geschlungen.
Sie hielt sich am Beckenrand fest. Was sollte sie jetzt tun? Schließlich trug sie nur ihren Bikini. Sonst war sie immer alleine geschwommen, nur manchmal kam Naema, um zu fragen, ob sie etwas brauchte. Sollte sie ins Haus gehen?
„Ich brauche nicht mehr lange.“
„Lass dir Zeit. Das Becken ist groß genug für uns beide.“
Er stand auf und zog das Handtuch von seinen Hüften. Megan sah eine schwarze Badehose, schmale Hüften und breite, von der Sonne gebräunte Schultern, bevor sie abtauchte, um weiter ihre Bahnen zu ziehen.
Hinter ihr hörte sie ihn ins Wasser springen. Sie schwamm schneller. Sie war noch nicht so weit, sich mit ihren Gefühlen für ihn auseinanderzusetzen. Und auf keinen Fall wollte sie das hier im Wasser tun, wo sie beide fast nackt waren.
Einen Moment später hatte Shafir sie eingeholt.
Sie schloss die Augen und wartete darauf, dass er vorbeischwamm. Aber er blieb auf gleicher Höhe mit ihr. Sie öffnete die Augen und hob den Kopf aus dem Wasser, um Luft zu holen. Er schwamm langsam, gerade schnell genug, um mit ihr mitzuhalten. Am Ende des Beckens hielt sie sich am Rand fest und bewegte die Beine im Wasser.
Träge paddelte er neben ihr.
„Schwimm doch weiter“, sagte sie. „Dreh ruhig deine Runden, ich brauche keine Unterhaltung.“
Seine Augen blitzten spöttisch, und er verzog den Mund zu einem Lächeln. „Aber ich vielleicht.“
Sein Lächeln ging ihr durch und durch. Die letzten Tage über war er so ernst gewesen, fast feierlich. Sie hatte vergessen, wie es sich anfühlte, wenn er sie so anstrahlte.
Megan versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Bleib ganz ruhig, sagte sie sich. Er muss ja nicht merken, wie es in dir aussieht. „Ach so, du findest mich also unterhaltsam?“
„Ich sehe dir gern zu.“
Was sollte das denn heißen? War das eine Anmache? „Wirklich?“
Er nickte. „Wirklich. Du hast ein sehr ausdrucksvolles Gesicht.“
Oh, nein. Sie verdrehte die Augen und hoffte, dass er nicht merkte, wie nervös er sie machte. „Nicht das schon wieder!“
„Was ist?“
„Meine ganze Familie sagt das. Meine Mutter erzählt immer, dass sie nach einem Blick wusste, ob ich log oder die Wahrheit sagte, als ich noch klein war.“ Trotz des kühlen Wassers wurde ihr in seiner Nähe ganz heiß. Um ihn nicht nur fasziniert anzustarren, sagte sie schnell: „Selbst wenn mein Leben davon abhinge, ich kann meine Gefühle nicht
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