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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Als Konspirateur? Das ist doch Unsinn!«
    »Aber es steht da, Pawel Konstantinowitsch.«
    »Wir haben das Paradies gefunden. Wir haben es endlich gefunden, Pawluscha!« Ludmilla umarmte ihren Mann, riß ihm das Zeitungsblatt aus der Hand und tanzte mit ihm durchs Zimmer. So lustig war sie, so glücklich, endlich befreit von allem inneren Druck. »Tot ist er, unser großer grauer Wolf!« rief sie immer wieder. »Wir sind frei! Wir haben eine Heimat! Unsere Kinder werden eine Heimat haben. Pawluscha, mein lieber, lieber Pawlik, mein Seelchen, mein alles … wir haben eine Heimat!«
    Die Kirstaskaja lachte mit, hob die Zeitung vom Boden auf und las weiter. Man brachte noch einige Sätze über Karpuschin, und es war sicher, daß man ihn erschossen hatte. Auch sie atmete auf, und einen Augenblick dachte sie daran, ein Gnadengesuch nach Irkutsk zu richten und um Rückführung aus ihrer Verbannung zu bitten. Aber dann sah sie die glücklichen Semjonows, dachte an die Leute von Nowo Bulinskij und wie nötig sie eine Ärztin brauchten. So erlosch der Gedanke an Rückkehr in die große Welt, und auch Katharina gestand sich, daß die Ufer der Lena und die rauschende Taiga zu ihrer Heimat geworden waren.

16
    Wenn es Frühling geworden ist in der Taiga, werden die Tage länger wie überall auf der Welt, aber in Wirklichkeit werden sie kürzer. Schnee, Eis und Stürme zwingen im Winter den Menschen ins Haus; da liegt man auf dem Ofen, flickt sein Handwerkszeug, gerbt die Felle, setzt Fallen und kontrolliert sie, aber wie der Pulsschlag eines Winterschläfers sich auf ein Mindestmaß verringert, ist auch das Leben der Menschen im Schnee begraben.
    Aber der Frühling, die herrliche Zeit nach der Eisschmelze! Da brechen die angestauten Kräfte hervor. Da wird in den Gärten gegraben; da ziehen die Jäger in den Wald, denn nun kommen die Winterschläfer hervor, die Dachse und Bären, und ihr Fell ist noch dick und wertvoll, und unvorsichtig sind sie, denn auch in ihnen regt sich der Frühling. Ja, und die Tiger streichen durch die Taiga, hungrig nach den langen, mageren Wintermonaten. Hellgelbe, fast weiße Tiger sind es, kleiner als die bengalischen, aber flinker, listiger und furchtloser, denn wer in der Taiga überleben will, muß grausam sein und stärker als sein Gegner. Und so kommen sie bis an die Siedlungen und Dörfer, stehen an den Flußufern und schleichen über die Pfade. Man sagt, daß Tiger sogar unterhalb von Bulinskij, an den Ausläufern von Shigansk, zwei Kinder gerissen hatten, im Angesicht von wehrlosen Fischern, die zwar brüllten und mit Steinen warfen, aber was kümmert einen sibirischen Tiger ein Steinwurf?
    So ist das Leben an den großen Strömen Sibiriens, wild und weit, und wenn der Frühling gekommen ist, hat man so viel zu tun, daß die Sonne viel zu schnell wieder versinkt.
    Semjonow und Ludmilla fuhren mit Schliemann und Wancke wieder zu dem kleinen Haus an der Muna und wuschen Gold. Haffner hatte einen schweren Unfall gehabt und lag noch immer im Krankenhaus.
    Es war ein gutes Jahr. Nach zwei Wochen besaß Semjonow Gold im Wert von über tausend Rubel, und Ludmilla brachte aus dem Steinbruch, den sie entdeckt hatte, wundervolle Achatstücke mit, die Wancke auf einem Schleifstein in der Hütte notdürftig anschliff. Aber schon da zeigte sich, welch eine herrliche Maserung die Steine hatten, welches Farbenspiel und welch seidigen Glanz an der Oberfläche. Ganz stolz war Ludmilla, als Schliemann verwundert ausrief: »Kinder, das ist ja eine Entdeckung, die mehr wert ist als unser Goldwaschen!«
    Und auch Semjonow hatte längst erkannt, daß hier dem Ort Nowo Bulinskij von der Natur Reichtum und Ehre geschenkt worden war.
    Am Abend saßen sie alle um den Tisch in der Hütte. Ludmilla kochte eine kräftige Kascha, dazu gab es Kwass und Wodka, und es war eine gute Stimmung in dem engen Raum. Die Achatstücke lagen auf der Tischplatte und funkelten im Licht der Petroleumlampe.
    »Wir werden eine Achatschleiferei gründen«, sagte Semjonow. »Jungs, ich will nicht darauf bestehen, daß mein Weibchen Ludmilla die Vorkommen entdeckt hat und uns also die Grube gehört, denn ich kann ja nicht als Eigentümer auftreten, ihr wißt es. Ich schlage vor, daß wir alle zusammen ein privates Kombinat gründen und eine Schleiferei unter dem Namen Schliemanns aufmachen. Er hat von uns allen die besten Verbindungen nach Jakutsk, er ist ein Freund des Sowjets von Bulinskij, und er hat die richtige Schnauze, um sich

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