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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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haben.«
    Karpuschin nickte. »Warten wir erst die Nachricht aus Peking ab, mein Täubchen«, sagte er, milder gestimmt, drehte sich um und erfreute sich an dem Anblick Marfas, wie er sich immer freute, in seinem Alter noch ein Stück Jugend erobert zu haben. »Dann sehen wir uns dieses Dorf an der Lena an.« Und da er fühlte, daß sein Groll sich verflüchtigte, lächelte er sogar und sah zu dem Bärchen hin. »Ein nettes Figürchen ist es«, lobte er. »Anatomisch zwar nicht ganz richtig … aber so etwas nennt man künstlerische Freiheit. Wenn es dir Freude macht, Marfuschka, mein wildes schwarzes Schwänchen.«
    Aus Jakutsk kam ein Telegramm der Mongolen.
    Alle Figuren verkauft. Stellt weitere her. Produziert. Wir nehmen die Figuren mit auf allen Reisen. Es wird ein gutes Geschäft. Schon liegen Bestellungen vor.
    »Gewonnen!« rief Schliemann, als er das Telegramm vorgelesen hatte. »Brüderchen – das wird ein Leben geben! Wie der letzte König der Inkas werden wir uns jeden Morgen mit Goldstaub pudern können!«
    Da die wenigsten etwas von den Inkas wußten, jubelte man anders, vor allem Frolowski, der ›Dreieckige‹, der immer wieder rief: »Drei Weibchen werde ich mir leisten! Verdammt, o verdammt, drei Weibchen! Das wird ein Leben! Und am Fluß baue ich mir ein Haus, wo ich vom Schlafzimmer aus gleich angeln kann! Genossen, Freunde, Brüder – hoch sollen sie leben, Semjonow und seine Ludmilla! In Bulinskij wird von nun an immer die Sonne scheinen!«
    Jawohl, großer Jubel erhob sich, nachdem das Telegramm gekommen war. Die Frau des Dorfsowjet opferte die letzten Flaschen Birkensekt, und ihr Mann, der gute Kommunist, sang freiheitliche Lieder und schrie immer wieder: »Ein Kulturhaus baue ich! Und Schiller spielen wir. O Schiller! Brüderchen, ich wollte schon immer zum Theater! Ich habe heißes Blut in mir! Heißes Blut! Hoho! Daß ich das noch erlebe …«
    Semjonow und Schliemann fuhren nach Jakutsk, um neue Schleifsteine zu kaufen und sich umzusehen, wo man Werkzeuge zur Bearbeitung von Edelsteinen bekommen könnte.
    Man darf nicht glauben, daß Jakutsk ein ödes Nest ist, wo die Hunde jaulen, weil es so trostlos ist. Jakutsk ist eine richtige Stadt mit Straßen und Autotaxen, Steinhäusern und großen Parteibauten, Pavillons und Läden, einem Schwimmbad und höheren Schulen, gesellschaftlichem Leben und militärischer Besatzung. Früher war es eine jakutische Siedlung. Aber nirgendwo auf der Welt wurde der Fortschritt so deutlich wie gerade in Sibirien; und während man im Westen meint, an der Lena lägen die Menschen noch wie die Eiszeitjäger auf Bärenfellen in Höhlen, promenieren die Frauen in Jakutsk auf den Plätzen und in den Kulturgärten umher, machen den Soldaten schöne Augen und duften nach Parfüm, das sogar aus Frankreich kommt. Und im Sommer tragen sie Höschen aus Nylon und Hemdchen aus Batist, mit kleinen Spitzen besetzt. Frolowski wußte es genau, er hatte es erzählt. Im vergangenen Sommer war er in Jakutsk gewesen und hatte es gesehen.
    Auch eine Straßenbahn gab es in Jakutsk. Ratternd und klingelnd fährt sie durch die Hauptstraßen, und immer ist sie so überfüllt, daß die Menschen sogar auf den Trittbrettern und den Puffern stehen. Lebensgefährlich ist es – die Haare stehen einem zu Berge, wenn man so eine Bahn um die Ecke kommen sieht, übersät mit Menschenleibern. Und sie lachen auch noch, die Todesmutigen, winken und rauchen und rufen den hübschen Frauen Worte zu, die sie erröten lassen. Und – es ist die Wahrheit, Freunde – noch nie ist jemand von der Bahn gestürzt! Von Kind an trainiert man ja, und wer einmal an einem Trittbrett hängt, ist eine Klette, die kein Sturm davonwehen kann.
    Während Schliemann im Büro einer Werkzeugfirma verhandelte, fuhr Semjonow mit der Straßenbahn durch die Stadt. Er hatte mit den Mongolen einen Treffpunkt ausgemacht, der außerhalb der Stadt im Kulturpark lag. Nachdem er vier volle Bahnen hatte vorbeifahren lassen, faßte er sich ein Herz, sprang – wie er es von den Jakutskern sah – den Waggon an, klammerte sich irgendwo fest, zog die Beine hoch, trat jemandem gegen das Schienbein und sagte: »Ein paar Zentimeter Platz, Genosse! Es geht, wenn man will!« Dann hing auch er auf dem Trittbrett und hatte als einziger Angst, herunterzufallen, vor allem in den Kurven, wo die Schienen unter ihm knirschten und wimmerten.
    So sah ihn Marfa Babkinskaja, die gerade vom Einkaufen kam. Sie stand am Straßenrand und ließ die

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