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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Überwachung staatsfeindlicher Elemente. Außerdem haben Sie Kenntnis von der Ausbildung und Ausrüstung der sowjetischen Raketenbataillone, aufgrund Ihrer Freundschaft mit Marschall Sergeij Warenzow, dem Oberkommandierenden der sowjetischen Raketenstreitkräfte.«
    »Das stimmt«, antwortete Karpuschin stolz. »Marschall Warenzow und ich besuchten die gleiche Kadettenschule.«
    »Wir werden alles noch einmal genau überprüfen.« Der Eselhändler, ›Herr Oberst‹, klappte seine Mappe zu und reichte Karpuschin ein Porzellangefäß mit angewärmtem Reiswein, dem Sake, einem Getränk, das Europäer mit abgebrühten Geschmacksnerven voraussetzt. »Wir machen Sie darauf aufmerksam, daß die Arbeit in der chinesischen Volksrepublik nicht leicht sein wird. Wir haben unsere eigenen Gesetze.«
    »Soviel ich weiß, arbeiten schon einige sowjetische Offiziere in Peking.«
    »Das stimmt. Aber sie wurden Chinesen …«
    Als die ersten Mongolen in Bulinskij erschienen, wußte man, daß der Frühling nicht mehr fern war. Sie schlugen ihr Quartier bei dem Dorfsowjet auf, bauten Stände, in denen sie ihre bunten Glasperlen und die bestickten Kleider und Stoffe ausstellten, und erzählten, daß im Süden schon das Eis gebrochen sei und es kaum mehr eine Woche dauern würde, bis auch die Lena bei Bulinskij wie eine kalbende Kuh schreien und das Treibeis sich zu Bergen übereinanderschieben würde.
    Und so war's.
    In einer Aprilnacht wehte ein warmer Wind, und als die Bürger von Bulinskij am frühen Morgen aus den Fenstern sahen, schmolz der Schnee, hatten sich die Straßen in grundlosen Morast verwandelt, floß aus den Wäldern das Schneewasser in Wildbächen zur Lena und kreisten die ersten Wildenten über dem noch zugefrorenen Strom.
    Drei Tage später krachte es an den Ufern. Das Treibeis aus dem Süden kam und mit ihm eine Flutwelle. Bis zum Krankenhaus stieg das Wasser und umgurgelte die Zufahrt, riß zwei Landungsbrücken weg und überschwemmte den Wasserturm, der nahe am Ufer erbaut war.
    Die Taiga war nicht mehr in weißer Endlosigkeit erstarrt, sondern färbte sich wieder grün. Am Waldrand wuchsen die ersten Schneeglöckchen und Märzenbecher, und einen Tag später brachte Semjonow den ersten mageren Strauß gelber und blauer Krokusse mit.
    Am fünften Tag der Schneeschmelze und des mit brausenden warmen Winden sich nähernden Frühlings läutete Väterchen Alexeij, der Pope, die Glocke.
    Die Kirche stand unter Wasser. Vor der schönen Ikonostase wogten die Wellen der Lena, und das Wasser floß zur geweihten Eingangspforte hinein und hinten an der Sakristei, unter dem Standbild des heiligen Basilius, wieder hinaus.
    »Sandsäcke!« schrie Väterchen Alexeij verwirrt, denn seit zwanzig Jahren hatte er eine solche Frühjahrsflut noch nicht erlebt. »Sandsäcke, liebe Söhne! Und sprengt das Eis auf dem Strom. Die Wasser müssen freien Lauf haben. Soll unsere Kirche ersaufen? Sagt nicht, ihr hättet keinen Sprengstoff. Ich weiß, daß ihr heimlich ein paar Zentner eingelagert habt!«
    Die Männer von Bulinskij seufzten, und Schliemann sagte: »Der Pope weiß einfach alles! Zum Kotzen ist's! Gehen wir also an die Vorräte, Jungs.«
    Drei Tage lang sprengte man das Packeis auf der Lena. Es donnerte weithin, die Häuser zitterten, die Scheiben klirrten, und die Kinder standen am Steilufer hinter dem Krankenhaus und johlten, wenn die dicken Eisschollen in die Luft flogen und zwischen den Explosionswolken tanzten wie riesige weiße Vögel. Dann war das Eis zerrissen; die Wasser der Lena flossen breit und gurgelnd nach Norden, und der warme Wind half kräftig mit. Das Hochwasser ging zurück, die Ufer wurden wieder frei und sahen aus wie pockennarbige Gesichter. Die Kirche konnte von Schlamm und angeschwemmtem Unrat gereinigt werden, und Väterchen Alexeij hielt einen Dankgottesdienst ab, lobte den Herrn und seine Mutter Maria, daß er die Hand schützend über das Haus gehalten habe, sang einen Choral und betete ein altes byzantinisches Gebet, das niemand verstand, das aber sehr schön klang.
    Mit der ersten Post nach dem großen Wasser kamen neue Zeitungen, und in einer von ihnen entdeckte die Kirstaskaja einen Aufsatz aus Moskau über die westlichen Agenten und den Satz: »Die Macht des Westens reicht selbst bis in die Büros des KGB. So wurde vor kurzem Generalmajor Karpuschin wegen Konspiration erschossen …«
    Dreimal las Semjonow diesen Satz, ehe er ihn glauben konnte.
    »Karpuschin erschossen?« sagte er kopfschüttelnd.

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