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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Langgässer gesprochen, während die Kirstaskaja und Ludmilla bei dem Amputierten waren und ihn frisch verbanden.
    »Ich habe Sie gleich erkannt, als Sie eintraten«, sagte Dr. Langgässer und jagte Semjonow damit einen großen Schrecken ein. »Sie sind Heller oder besser Semjonow. Auf Ihren Kopf stehen fünftausend Rubel Belohnung.«
    »Woher wissen Sie das?« fragte Semjonow.
    »Wir alle hier haben Ihren Steckbrief bekommen. Von einem General Karpuschin. Und dazu die Versprechung, daß derjenige, der Sie entdeckt, sofort in die Heimat zurück darf.«
    »Gratuliere, Doktor«, sagte Semjonow dumpf. »Ich wünsche Ihnen eine gute Heimfahrt.«
    »Was Sie da eben sagten, war eine grobe Beleidigung, wissen Sie das?« erwiderte Dr. Langgässer ruhig. »Keiner von uns wird je ein Wort sagen. Aber es war eine Dummheit, hierherzukommen.«
    »Ich wußte nicht, daß Karpuschin schon da war.«
    »Stammt die Unterstützungsaktion von Ihnen? Es ist ja unfaßbar, was die Jungs am Abend alles aus dem Wald mitbringen.«
    »Es gibt hier viele Deutsche, die als Russen leben. Solange es möglich ist, werden wir das Lager mit allem versorgen, was gebraucht wird.« Semjonow bot Dr. Langgässer eine Zigarette an. Erst nach dem fünften Zug sprach er weiter. »Doktor, haben Sie nie daran gedacht, auszubrechen?«
    »Wohin? Sibirien ist sicherer als hundert Gitter hintereinander.«
    »Wir könnten Sie verstecken. Ich habe ein Haus oben an der Muna. Da sucht Sie niemand.«
    Dr. Langgässer sah durch den Rauch der Zigarette Semjonow lange und schweigend an. »Vor neunzehn Jahren wäre es kein Problem gewesen«, sagte er dann, und seine Stimme klang nicht einmal traurig. »Aber zwanzig Jahre bin ich jetzt Lagerarzt. Ich bin so etwas wie der Vater einer großen Familie. Was würden Sie sagen, wenn ich von meiner Familie flüchtete? Wenn ich sie in der Taiga allein ließe, ohne ärztlichen Beistand? Und wissen Sie, was mit den anderen geschieht, wenn einer von uns flüchtet?«
    »Ich weiß es, Doktor.« Semjonow nickte. »Es war nur eine Frage. Ich habe keine andere Antwort erwartet …«
    Eine Stunde später fuhren sie wieder ab. Die Kirstaskaja hatte mit Dr. Langgässer kaum ein Wort gesprochen, nur angesehen hatten sie sich, und in ihren Blicken lag alles, was der Mund nicht sagen durfte. Zum Abschied gaben sie sich die Hand, und sie hielten sie länger fest, als es üblich war.
    »Auf Wiedersehen«, sagte Dr. Langgässer mit glänzenden Augen.
    »Do swidanija«, antwortete die Kirstaskaja. Ohne sich umzublicken, stieg sie in den Wagen und stieß Semjonow mit der Faust in den Rücken. Er saß schon auf dem Bock. »Fahr!« sagte sie gepreßt. »Fahr doch, Pawel!«
    Lange Zeit war es still im Wagen. Erst in der Taiga, als sie die breite Waldstraße entlangfuhren, beugte sich die Kirstaskaja vor und boxte Semjonow wieder in den Rücken.
    »Was sagte er?«
    »Er ist ein guter Mensch, Katharina Iwanowna.«
    »Du glaubst es also auch! Hast du gesehen, wie er mich angeschaut hat?«
    »Ja.«
    »Er liebt mich auch.«
    »Welcher Mann könnte Sie nicht lieben, Katharina?«
    »Ich werde ihn glücklich machen.«
    »Aber wie?«
    »Ich habe einen Plan, Pawel Konstantinowitsch. Einen feinen Plan habe ich. Vertrau auf die Phantasie einer liebenden Frau.«
    Sie fuhren noch eine halbe Stunde, bis die Pferdchen plötzlich unruhig wurden. Sie spielten mit den Ohren, hoben die Nüstern, schnaubten, schüttelten die Köpfe und legten sich ins Geschirr, als witterten sie schon den Stall, aber der war noch fünf Werst entfernt. Als Semjonow die Zügel straffer zog, wurden sie ungebärdig, brachen aus, warfen die Beine vorwärts und schnaubten wütend. Sie wehrten sich gegen den Gehorsam, fielen in einen Galopp, und so sehr Semjonow sie anrief und an den Zügeln zerrte – sie liefen und liefen, und die Schaumflocken flogen an ihren Köpfen vorbei, und die Körper glänzten von Schweiß.
    Ludmilla und die Kirstaskaja hatten sich an den hölzernen Karrenwänden festgeklammert, sie wurden hin und her geworfen, und Semjonow auf dem Bock riß an den Zügeln und schrie und stampfte mit den Stiefeln gegen das Fußbrett.
    »Von Sinnen sind sie!« schrie er nach rückwärts. »Ich kann sie nicht mehr halten! Seht ihr Wölfe? Wölfe müssen in der Nähe sein! Sie sind verrückt vor Angst! He! He! Stoj, ihr Teufel, stoj! Haltet an! Die Räder brechen ja!«
    Es waren keine Wölfe.
    Von der Seite des Waldweges, aus dem Gestrüpp der Taiga, sprang ein großer, weißfelliger Tiger

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