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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hier ein Hospital und kein Bordell. Oder sind Sie doch krank?«
    Karpuschin sah Borja verblüfft an. Er wollte ihn zur Seite schieben, aber wem gelingt es schon, Borjas massigen Körper wegzudrücken? Im Gegenteil, Karpuschin fand sich an der Hauswand wieder, und sein Schlips hing mißhandelt aus seinem Anzug heraus.
    »Oho!« rief Borja fröhlich. »Das Herrchen will ein Spielchen machen!«
    »Aus dem Weg, du Affe!« schrie Karpuschin. Aber Borja wich nicht. Er streckte die mächtigen Hände vor und schnalzte mit der Zunge.
    »Ein kleiner Idiot, nicht wahr?« sagte er lustig. »Soll man sein Hirnchen klopfen, was?«
    Karpuschin atmete tief auf. Dann trat er an Borja heran, atmete noch einmal tief und brüllte dann, daß es durch das ganze Haus dröhnte wie mit einem Lautsprecher: »Ich bin Karpuschin. Generalmajor Karpuschin, du Vieh! Häng dich auf, ehe ich dazu den Befehl gebe!«
    Borja erstarrte. Wer Karpuschin war, das wußte er. Wer an den Türen lauscht, war immer informiert. War Borja auch kein großer Denker, so erkannte er doch jetzt, wie gefährlich dieser Besuch war. Zehn Meter weiter saß Ludmilla Semjonowa bei der Ärztin, und sie tranken Tee.
    »Oh, Karpuschin!« brüllte Borja, und seine Stimme war noch um ein paar Grade lauter als die Karpuschins. »Willkommen, Genosse Generalmajor. Melde: Borja Nurenjew. Gefreiter der III. Schützendivision von Jakutsk. War in Charkow und Perm und …«
    Karpuschin hob die buschigen Augenbrauen.
    »Wo ist Dr. Kirstaskaja?« fragte er scharf.
    »Sechste Tür rechts, Herr Generalmajor Karpuschin!« brüllte Borja mit voller Lunge.
    Karpuschin ging um Borjas massigen Körper herum, den weißen Gang entlang. Die sechste Tür. Eine Tür ohne Nummer oder Bezeichnung.
    Karpuschin klopfte. Er drückte die Klinke herunter, bevor von drinnen die Stimme der Kirstaskaja erklang, diese tiefe, unverwechselbare Stimme.
    »Welche Überraschung!« sagte Karpuschin, als er das Zimmer betrat. Die Kirstaskaja stand am offenen Fenster. Sie war allein. Vor ihr Bett hatte sie den geblümten Vorhang gezogen, und hinter dem Vorhang stand Ludmilla, die Nagan entsichert und schußbereit in der Hand. »Ich sehe Freude in Ihren Augen, Katharina!«
    »Soll ich mich nicht freuen?« Die Kirstaskaja zeigte auf einen der Stühle, und Karpuschin setzte sich. »Eine Tasse Tee, Genosse Generalmajor?«
    »Das wäre gut.« Karpuschin sah sich schnell um. Ein mittelgroßes Zimmer, karg möbliert. An der Schmalwand das Bett hinter einem Vorhang. Weißgestrichene Holzwände mit eingerahmten Fotos. »Wieso freuen Sie sich eigentlich, Katharina Iwanowna?«
    »Ich verdanke Ihnen vieles.«
    »Mir?«
    »Meine Strafversetzung nach Nowo Bulinskij war Ihr Werk.«
    »Allerdings.«
    »Ich fühle mich hier glücklich. Ich war noch nie so fröhlich wie hier.« Die Kirstaskaja stellte ihm eine Tasse Tee auf den Tisch. Karpuschin nahm einen kleinen Schluck und blickte die Ärztin über den Tassenrand hinweg an.
    »Wieder ein Mann, Katharina?«
    »Nein! Die Ruhe macht glücklich. Hier an der Lena will ich sterben!«
    Die Kirstaskaja warf einen verstohlenen Blick zum Vorhang vor ihrem Bett. Sie sah die Augen Ludmillas, eine Strähne ihrer schwarzen Haare und ihre Hand mit der schweren Nagan. Und sie wünschte sich in diesem Augenblick heiß, daß Ludmilla schießen würde, in diesen runden, lächelnden Kopf, der nie Mitleid gekannt hatte.
    »Wissen Sie es schon?« sagte Karpuschin in dieser Sekunde und setzte die Tasse ab. »Wissen Sie, daß Semjonow hier in der Gegend ist? Ich bin ihm auf der Spur …«

20
    Es fiel Katharina Kirstaskaja nicht schwer, zu lächeln. Wie sie Karpuschin dasitzen sah – siegessicher, die Hände um die Teetasse, auf den ersten Blick ein gemütliches Väterchen, aber die Gefährlichkeit eines Raubtieres im lauernden Blick –, kam er ihr ein wenig lächerlich vor. Er wußte nichts, gar nichts, aber er spielte den Allwissenden und glaubte, man nehme es ihm ab. Er wollte Furcht verbreiten, wo er an seiner eigenen Unsicherheit fast zugrunde ging. Ein gutes Spielchen, Matweij Nikiforowitsch. Aber ein Spielchen für Anfänger in der Kunst des Bluffens.
    »Semjonow?« fragte die Kirstaskaja gedehnt. Ihr Blick flog schnell zum Vorhang vor ihrem Bett. Ludmilla hatte sich ganz zurückgezogen. Sie saß jetzt auf dem Bett und hörte mit angehaltenem Atem zu. »Er ist doch tot, Genosse.«
    »Wissen Sie das genau?«
    »Er braucht nicht physisch tot zu sein. Auf jeden Fall ist er politisch tot.«
    »Das gilt

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