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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht!« Karpuschin winkte ab. »Semjonow ist zu meiner Lebensaufgabe geworden. So groß die Welt auch ist, sie hat nur für einen von uns Platz. Und Semjonow lebt. Marfa hat ihn gesehen.«
    »Wer ist Marfa?«
    »Eine Dolmetscherin, die damals in Moskau Semjonow betreute, als er noch Franz Heller hieß. Sie kennt ihn genau.«
    »Sie hat ihn hier gesehen?«
    »Ja.« Karpuschin musterte die Kirstaskaja mit seinen kleinen, durch die Kontaktlinsen noch glänzenderen, listigen Augen. »Er ist hier in der Gegend.«
    »Gratuliere.«
    »Sie haben ihn nicht gesehen, Katharina Iwanowna?«
    »Nein! Glauben Sie, ich hätte mir die fünftausend Rubel Belohnung entgehen lassen?«
    »Das wissen Sie also doch?«
    »Ihr Steckbrief hat ja halb Sibirien überschwemmt. Ich habe ihn zweimal bekommen. Einmal mit der Post, das anderemal bei Major Kraswenkow im neuen Lager der Lebenslänglichen. Es ist übrigens ein schlechtes Porträt Semjonows. Man muß schon viel Phantasie haben, um ihn danach zu erkennen.«
    »Interessant. Wie sieht er denn jetzt aus?«
    »Matweij Nikiforowitsch!« Die Kirstaskaja lächelte breit. »Sie sollten Ihre Zeit nicht damit verschwenden, Fangfragen an mich zu stellen! Weiß ich, wie Semjonow heute aussieht?«
    »Sie sind mir zu sicher, Katharina Iwanowna.« Karpuschin trank seine Tasse leer und reichte sie der Kirstaskaja hin. »Noch eine, mein Täubchen! Sie kochen einen vorzüglichen Tee. Einen besonderen Geschmack hat er.«
    »Ich habe ihn mit chinesischen Blättern gemischt. Das gibt ihm eine blumige Würze.« Katharina Kirstaskaja füllte Karpuschins Tasse noch einmal und schob ihm den Becher Honig zu, womit man hier den Tee süßte. »Wenn Semjonow wirklich lebt«, sagte sie dabei, »dann wünsche ich Ihnen das Gehirn eines Hellsehers, Matweij Nikiforowitsch. Einen einzelnen Mann in der Taiga zu finden … denken Sie an die Stecknadel im Heuhaufen.«
    »Und wenn er wie eine Erbse im Kornfeld wäre … ich bekomme ihn!« Karpuschin ließ einen Löffel Honig in seinen Tee laufen und rührte klirrend um. »Es ist also nicht möglich, daß Semjonow in Bulinskij wohnen könnte … ganz zufällig, mein Töchterchen?«
    »Ganz unmöglich. Seit Tagen haben wir die Einbürgerungskommission aus Irkutsk hier. Jedes Haus hat sie kontrolliert und in einer Liste erfaßt. Man hätte Semjonow dabei entdecken müssen, wenn er in Bulinskij wäre. Außerdem … hat er nicht eine Frau?«
    »Ja«, sagte Karpuschin unwillig. »Und ein Kind auch; nach unserer Berechnung muß es neun oder zehn Monate alt sein.«
    »Glauben Sie, daß man eine ganze Familie übersehen kann, wenn sie irgendwo fremd auftaucht?«
    »Man kann es, wenn man beide Augen zudrückt.«
    »Kein guter Kommunist tut das, Genosse. Wenn es um das Wohl des Staates geht …«
    »Katharina Iwanowna!« Karpuschin erhob sich und stützte sich auf beide Fäuste. »Lassen Sie diese dummen Redensarten. Ich glaube, wir zwei kennen uns trotz der Kürze unserer Bekanntschaft zu gut, um uns mit solchen Plattheiten zu langweilen. Ich frage Sie als Generalmajor und Sektionschef des KGB: Haben Sie Semjonow gesehen? Ja oder nein?«
    »Nein!«
    »Überlegen Sie sich Ihre Antwort, Katharina Kirstaskaja! Ich werde darauf zurückkommen.« Karpuschin wartete ein paar Atemzüge lang. Dann sagte er mit gehobener Stimme: »Ja oder nein?«
    »Nein!«
    »Semjonow war in Jakutsk!«
    »Dann suchen Sie dort, Genosse Generalmajor.«
    »Er konnte flüchten! Nach Norden!«
    »Warum nicht nach Süden?«
    »Wohin nach Süden?«
    »Wohin nach Norden?«
    »Zu seinen ehemaligen deutschen Kameraden. Nach Nowo Bulinskij.«
    »Dann fragen Sie die ehemaligen deutschen Kameraden.«
    »Fragen Sie den Mond, warum er Krater und Berge hat und keine Atmosphäre! Aber Sie sind die Ärztin. Bei Ihnen läuft das Leben einer Stadt über Ihren Untersuchungstisch. Sie wissen alles, was im Umkreis von zehn Werst passiert! Zu Ihnen kommen die Geheimnisse der Taiga! Wenn jemand weiß, wo Semjonow ist, dann sind Sie es, Katharina Iwanowna!«
    »Sie überschätzen mich, Matweij Nikiforowitsch.« Die Kirstaskaja setzte sich und schlug die Beine übereinander. Schöne, feste Beine hatte sie, und sie trug Seidenstrümpfe. Karpuschin bemühte sich, nicht auf ihre Beine zu sehen. Er dachte an Marfa und an ihre gelenkigen Glieder, und plötzlich hatte er es eilig, denn Marfa war allein in der Achatschleiferei bei jungen, nicht gerade schüchternen Männern.
    »Sie können Semjonow warnen«, sagte er und trank seinen Tee im

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