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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unter das Zaumzeug der beiden Pferdchen hatte er flache Streifen Tabak geklebt.
    »Schöne Kommunisten seid ihr!« brüllte Borja. »Wahrlich herrliche Genossen! Ihr zertretet in mir den Patriotismus! O ihr Geier, ihr Aasfresser … ich werde es dem Politruk melden! Jawohl, dem Politruk!«
    In einer Ecke der kärglichen Lagerapotheke, in der auf zwei lächerlichen Holzregalen ein paar Binden, ein paar Lagen Zellstoff und einige Flaschen mit Chlor und Äther standen, küßten sich die Kirstaskaja und Dr. Langgässer zum erstenmal.
    Ganz plötzlich war es gekommen, wie der Einschlag eines Blitzes aus einem sonnigen Himmel.
    Der Amputierte hatte die Krisis überstanden. Der Stumpf mußte noch einmal nachoperiert werden, er näßte und schloß sich nicht.
    »Dazu werden wir ihn zu mir ins Hospital bringen«, sagte die Kirstaskaja nach der Visite. »Ich werde mit Major Kraswenkow sprechen.«
    »Darüber entscheidet die Zentralstelle Sibirien in Irkutsk.« Dr. Langgässer wusch sich die Hände. Die Kirstaskaja stand hinter ihm, so nahe, daß er ihren Atem hörte und die ausströmende Wärme ihres Körpers zu spüren vermeinte. »Es kommt einer Verlegung gleich, Kollegin.«
    »Und wie lange dauert solch ein Antrag?«
    »Ich weiß es nicht. Bisher ist ein solcher noch nie gestellt worden. Es ist möglich, daß wir gar keine Nachricht darauf bekommen, weil sie in Irkutsk denken, da ist jemand im fernen Norden betrunken gewesen.«
    »Dann machen wir es ohne Genehmigung!« Die Kirstaskaja stampfte auf. Ihre dunkle Stimme brodelte. »Man muß damit rechnen, daß ich hier bin!«
    »Allerdings. Das muß man!« Dr. Langgässer drehte sich um. Gesicht an Gesicht standen sie sich gegenüber. In ihren Augen lag alle Qual einer gefesselten Kreatur, vor deren Käfig sich die Weite der Freiheit dehnte. Aber keiner von ihnen tat den entscheidenden Schritt, überwand die wenigen Zentimeter von Lippe zu Lippe. Wie erstarrt sahen sie sich an, wie zwei leblose Skulpturen.
    »Wann werden Sie den Amputierten holen, Kollegin?« fragte Dr. Langgässer mit belegter Stimme.
    »Morgen schon.«
    In der Lagerapotheke, in diesem kleinen, muffigen Raum mit den zwei lächerlichen Regalen, der kaum größer als eine Speisekammer war, schloß die Kirstaskaja die Tür mit einem Fußtritt und hob beide Hände, die Flächen nach außen, wie ein sich ergebender Gegner.
    Dann küßten sie sich, und nach diesem Kuß, der hart und heiß war, in dem Jahrzehnte von Sehnsucht und ungestillter Lust lagen, die Glut wilden Blutes und die Unersättlichkeit eines Durstigen, hielten sie sich umklammert, umschlungen mit beiden Armen.
    »Mein Käferchen!« rief Major Kraswenkow und deutete auf einen der Korbsessel. »Setz dich. Man wird gleich Tee bringen.«
    Die Kirstaskaja sah Major Kraswenkow aus zusammengezogenen Brauen an. Aber das Leuchten in ihren Augen blieb. Wer konnte es auch abstellen? Ihre Seele brannte.
    »Der Amputierte muß morgen zur Nachoperation ins Krankenhaus von Bulinskij. Nur dort habe ich die Möglichkeit einer sauberen Stumpfbereinigung. Geht das, Genosse Major?« fragte sie.
    Kraswenkow sah sie irritiert an. »So dienstlich, mein goldenes Schwänchen? Natürlich geht es, wenn es notwendig ist.«
    »Ich denke, Irkutsk muß es genehmigen?«
    »Natürlich.«
    »Sie werden den Antrag stellen?«
    »Bin ich ein Mensch, der Steine frißt?« Kraswenkow klopfte mit seiner Gerte an sein Holzbein. »Holen Sie den Plenny morgen ab und schnippeln Sie an ihm herum. Ehe Irkutsk sich dazu äußert oder gar einen Fragebogen schickt, wächst dem Mann schon ein drittes Bein!«
    »Dr. Langgässer muß ebenfalls abgestellt werden.«
    »Das ist schon schwieriger, Katharina Iwanowna.«
    »Er muß assistieren. Er gibt Ihnen sein Ehrenwort …«
    »Der Doktor reißt nicht aus, das weiß ich! Aber sonst? Wie lange brauchen Sie ihn?«
    »Drei Tage … oder vier … vielleicht eine Woche …«
    »Reicht das?« Major Kraswenkow sah die Kirstaskaja aus gütigen Augen an. Um seinen schmalen, faltigen Mund zuckte es. »Die Stunden vergehen schnell, Töchterchen …«
    »Sie sind ein wundervoller Mann, Wassilij Gregorowitsch«, sagte die Kirstaskaja leise.
    »Nur leider zu alt für dich.«
    Die Rückfahrt verlief fröhlich. Borja und Schamow sangen ein altes Reiterlied, und die Kirstaskaja sah über die Lena und war so glücklich wie noch nie in ihrem Leben.
    Borja hatte allen Grund, lustig zu sein. Er hatte einen großen Tag erlebt. Denn kaum war der junge Leutnant Stepan

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