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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bringen … Tee mit Konfitüre gesüßt … Und dann zeigen Sie mir das Lager und die Männer, die behaupten, in Kalinin II herrschten Sitten wie in einem Saustall!«
    Der Natschalnik nickte. Sein Hals war trocken. Was haben wir da bekommen, dachte er erschrocken. O Genossen in Krasnojarsk … ihr habt uns eine Teufelin herübergeschickt. Das haben wir nicht verdient. Ein strenger Mann kann wie die Hölle sein. Aber eine mächtige Frau, das ist, wie wenn man im Hintern des Teufels wohnt …
    Das geschah an einem Vormittag, um genau zu sein, an einem Sonntag, wo alle im Lager waren und am Nachmittag Kuchen bekamen. Einen faden Kuchen mit dicken Zuckerkrümeln. Die meisten strichen sich ihre Marmelade darüber und verzichteten dafür auf ihr Frühstück am Montag. Zwar konnte man im Lagergeschäft Marmelade kaufen, aber die war so sündhaft teuer, daß dies kaum einer in Erwägung zog.
    Am Nachmittag besichtigte Ludmilla Barakowa das Lager. Sie begann bei den Männern, und zwar in der Stolowaja, dem großen Speisesaal, wo auch die Schulungen und Parteifeiern stattfanden.
    Auf den Bänken hockten nun über vierhundert finstere, bärtige Männer, hatten die klobigen, schwieligen Hände auf die Knie gelegt und dachten an die Worte ihrer Barackenältesten: »Leute, benehmt euch anständig! Vermeidet zu stinken und denkt daran, daß eine Frau – auch wenn sie Kommissarin ist – doch immer noch eine Frau bleibt. Unter der Uniform ist alles das, was ihr so gern habt … also, benehmt euch danach!«
    Ludmilla Barakowa ging durch die Bankreihen zum Podium, den Kopf hoch erhoben, den Blick geradeaus, mit einem festen Schritt in ihren schlanken, langen Beinen, daß die Dielen der Stolowaja knirschten. Auf dem Podium blickte sie eine Weile stumm über die vierhundert Köpfe, dann lächelte sie.
    »Na, was ist, Genossen?« fragte sie. Ihre helle Stimme füllte den großen Raum auch ohne Mikrofon. »Ihr habt Zuckerkuchen bekommen, und am Abend gibt es Bohnengemüse mit Salzfisch.«
    »Scheiße!« rief jemand von den vierhundert.
    »Das ist Geschmackssache!« Einige lachten und wurden niedergezischt. Aber es war eine Bresche in den Wall der Abwehr geschlagen. Wie kann man wütend sein, wenn ein so schönes Frauchen ein mutiges Witzchen reißt?
    »Ich komme aus einem Lager, da gab es morgens eine Scheibe steinhartes Brot, das man in Schneewasser aufweichte. Und mittags aßen sie Kohlsuppe, so dünn, daß man die Blättchen zählen konnte. Am Abend waren sie glücklich wie Kinder: Sie bekamen einen Fladen aus Sojamehl und einen Klecks Marmelade. Aber zwischen diesen Mahlzeiten lag die Arbeit an der Straße. Bei vierzig Grad Frost stemmten sie die Erde auf, schichteten Steine, fraßen sie sich auf dem Boden nach Norden. In Workuta war's, Genossen … und ich könnte mir denken, daß man ein ganzes Kombinat dorthin verlegt, denn Holzfachleute braucht man überall.«
    Das war deutlich. Die vierhundert schwiegen verbissen. O du Teufel, dachten sie. Du schöner Satan! Du Auswurf der Hölle! So also wird es gehen mit uns! Eine solche bist du! Der Jurij Dambrowski war ein harmloser Idiot, der nur mit Parolen um sich warf. Aber jetzt wird es gefährlich in Kusmowka. Ein Weib regiert! Der Himmel sei uns gnädig …
    »Ich habe Fotos mitgebracht, Genossen«, sagte die Barakowa weiter. Sie lehnte sich an das Rednerpult, an dessen Stirnseite ein Bild Lenins angebracht war. »Wir werden uns morgen diese Fotos ansehen. Danach werden wir uns einig sein: Das Kombinat Kalinin II in Kusmowka ist ein Paradies. Man muß vergleichen können, Genossen, ehe man urteilt!«
    Wahrhaftig, dachten die vierhundert. Das ist ein wahres Wort, du Teufelchen. Nun vergleichen wir. Gott segne unseren Dambrowski, wo immer er jetzt auch ist. Er war ein Freund …
    Fast eine halbe Stunde sprach Ludmilla Barakowa. Sie wußte, daß ihre Worte bis zum Abend im ganzen Lager bekannt sein würden. Ihre Stimme war wie eine helle Fanfare, sie blies über die bärtigen Köpfe der vierhundert hinweg und tönte in ihren Hirnen wider. Was sie sagte, war nachher nicht mehr so wichtig … wie sie es sagte, war viel ergreifender. Sie sagte es mit der Kälte eines Eisberges, der ein Schiff rammt und ruhig neben den Trümmern weitergleitet.
    Am Abend, nach dem Abendessen, ließ sie sich den Rapport vorlegen. Der Sekretär des Direktors unterbreitete die Papiere.
    »Lesen Sie vor, Genosse«, sagte die Barakowa. »Während Sie sprechen, kann ich weiterdenken.«
    Der Sekretär las. Die

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