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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nichts geschieht. Du bist so sicher, du wirst auch über die Wölfe Sieger bleiben. Denn du bist der größte, der stärkste Wolf.«
    Für Semjonow war das gar nicht so sicher. Er schob Ludmilla wortlos in den Schlitten zurück, holte dann Brennholz aus ihrem Vorrat und setzte kleine Häufchen rund um den Schlitten und die Pferde in den Schnee. Die Holzhäufchen übergoß er mit ein paar Tropfen Spiritus und zündete sie dann an. In wenigen Minuten umgab den Schlitten ein Feuerkreis. Die Flammen loderten hell und warfen einen Lichtschein in den Wald.
    Ein vielfaches wütendes Heulen antwortete Semjonow auf diese Tat. Zwischen den Stämmen, im Unterholz, hinter Schneeverwehungen funkelten die kalten Augen der Wölfe. Hunger und Mordlust lagen in ihnen. Langsam ging Semjonow innerhalb des Feuerkreises um den Schlitten herum. Er zählte die grauen Klumpen im Schnee, er zählte die phosphoreszierenden Augen des Todes.
    »Es sind über dreißig Stück«, sagte er, als er zum Schlitten zurückkam. Ludmilla hockte an der Holzwandung, hatte aus Decken und Zeltplanen wieder ein Dach gebaut und bewachte den Rundgang Semjonows mit dem Gewehr. »Solange die Feuer brennen, greifen sie nicht an.« Er setzte sich neben Ludmilla und legte den Arm um ihre Schulter. Stumm sahen sie auf die kleinen, unruhigen Lichter, und wenn der Leitwolf heulte und vorsichtig bis auf einen Meter an das Feuer heranschlich, drückte Semjonow Ludmilla an sich und küßte sie auf die eisige Wange.
    »Und wenn der Morgen kommt, Pawluscha?«
    »Dann greifen sie an.«
    »Und dann?«
    »Wir werden so lange schießen, wie wir können. Zuerst werden sie die Pferde angreifen.«
    »Ohne Pferde sind wir verloren …«
    »Aber bevor sie die Pferdchen anspringen, werden wir zwei oder drei oder vier von ihnen erschossen haben. Und die anderen werden über sie herfallen und sie zerfleischen. Nur der Leitwolf wird weiterjagen. Ihn müssen wir mit dem ersten Schuß treffen.«
    So saßen sie, wohl über eine Stunde lang, und starrten auf die Wölfe, die außerhalb des Flammenkreises als zweiter Kreis um sie lagerten.
    Dann kam plötzlich Bewegung in die grauen Belagerer. Der riesige Leitwolf sprang auf, lauschte und heulte schaurig. Im selben Augenblick knatterte Gewehrfeuer, Kugeln pfiffen, drei Wölfe sprangen kreischend hoch in die Luft und fielen tot in den Schnee. Schatten jagten durch den Wald davon, zu fliegen schienen sie wie böse Geister, und das Heulen und Wimmern übertönte sogar die Schüsse.
    Semjonow hatte Ludmilla zu Boden gerissen, als die ersten Schüsse fielen. Nun lag er halb über ihr, deckte sie mit seinem Körper und hatte die Zeltplanen, die als Dach dienten, auf sich herabgerissen. Über ihm schlugen Kugeln in das Holz des Schlittens, und sie hätten ihn oder Ludmilla getroffen, wenn sie nicht flach im Schnee gelegen hätten.
    Dann war es plötzlich wieder still um sie. Als aber Semjonow die Decken von sich abwarf und sich auf die Knie aufrichtete, hörte er eine tiefe Stimme aus der Dunkelheit.
    »Steh auf, Brüderchen, und nimm die Hände hoch!« befahl die Stimme. »Und geh vom Schlitten weg zum Feuer.«
    Semjonow gehorchte. Er hob die Hände, aber er blieb stehen. Hinter ihm, in seinem Schatten, bewegte sich Ludmilla unter den Decken. Er wußte, was sie tat. Ganz vorsichtig schob sie die Decken zurück, legte das Gewehr an und würde schießen, sobald der unsichtbare Rufer in den Feuerschein trat.
    »Komm heran, Genosse«, sagte Semjonow. »Ich bin ein ehrlicher Jäger und will dir danken. Du hast mich vor den Wölfen gerettet.«
    Aus den Schatten der Bäume blitzte es auf. Hinter Semjonow bewegten sich die Decken. »Ich sehe ihn noch nicht«, wehte ein Flüstern zu ihm hinauf. »Er versteckt sich hinter den dicken Stämmen.«
    »Warum lügst du, Brüderchen?« fragte die tiefe Stimme aus der Dunkelheit. »Du bist kein Jäger! Kein Jäger fährt durch den Wald mit zwei Gäulchen! Es sei denn, er wäre ein Idiot! Aber wie ein Idiot siehst du nicht aus. Also komm, tritt zum Feuer und sage, wer du bist.«
    »Gott hat dir einen scharfen Verstand gegeben, mein Freund«, sagte Semjonow in die Dunkelheit hinein. Er strengte seine Augen an, sah aber nur die vereisten Stämme, den von Wölfen zerwühlten Schnee, die drei blutigen Kadaver und die Finsternis hinter den Feuern. »Ich bin ein Geologe, der das Land vermißt. Und ich habe mich verirrt. Mein Kompaß ist ausgefallen.«
    Semjonow wartete. Der Unsichtbare schien zu überlegen.
    »Nicht

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