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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verlangten hier Quartier. Sie müßten die Wälder durchkämmen.
    Lagutin dachte an den Jeep, der unter Strohballen in der Scheune versteckt war, und seufzte mehrmals, bat im stillen die Madonna um Schutz und Beistand, erzählte etwas von den lärmempfindlichen Nerzen seiner Farm, erwähnte, daß seine Zucht unter staatlicher Kontrolle stehe und er sich keine Ausfälle durch die Soldaten leisten könne.
    »Soll ich melden«, schrie er, »daß meine besten Zuchtpaare eingehen, weil hier ein unerträglicher Lärm gemacht wird? Man wird Sie zur Verantwortung ziehen, Genosse Kapitän!« Lagutin hob beide Arme gegen den fahlen Schneehimmel und rollte mit den Augen. »Wenn Sie mir ein Papier unterschreiben, daß Sie für alle Schäden an meinen Nerzen aufkommen, gut denn, wohnen Sie hier mit Ihrem wilden Haufen! Aber ich sage Ihnen: Meine Nerzmännchen sind sensibel wie ein Jüngferchen vor der ersten Nacht, und meine Zuchtweibchen … oh, kennen Sie Prinzessin Mao Tschi-la? Eine Tatarin war sie, und sie wurde schwindlig, wenn eine Fliege nieste! Bitte, gehen Sie an die Stallungen, niesen Sie, Genosse Kapitän, und Sie werden sehen, wie sie umfallen, die Äuglein verdrehen und weg sind sie. Weg! Tot! Die besten Mutationstierchen! Meine Sonnenscheinchen! Der Stolz des sowjetischen Pelzexports!«
    Die lautstarke Beredsamkeit Lagutins erfüllte ihren Zweck. Die Soldaten quartierten sich in alten Gebäuden außerhalb der Farm ein. Es waren wackelige Holzhäuser, durch deren Wandritzen es pfiff und heulte und deren Dächer nicht einmal eine Raupe im Frühling ansah, so faul waren sie. Aber Soldaten sind hart, Genossen, sie müssen allen Unbilden trotzen können. So zogen sie in diese Häuser und fluchten auf die Nerze. Aber es half nichts.
    Ilja Saweliwitsch Lagutin aber stand vor der schweren Aufgabe, sich seines Jeeps zu entledigen, ehe man ihn entdeckte und Lagutin an dem nächsten kräftigen Ast aufknüpfte. Nach einem jammernden Monolog, daß man nie menschenfreundlich sein solle, denn nun habe man einen Schlitten und zwei Pferdchen eingebüßt, aß er traurig eine Pfanne voll Eier und Speck, trank einen Krug Kwass, wartete, bis die Soldaten in kleinen Gruppen im Wald verschwunden waren, und holte dann den verteufelten Jeep aus der Scheune. Er fuhr ihn in eine Senke, die jetzt zugefroren, im Sommer aber sehr sumpfig war, betete, daß man den Jeep nicht vor der Schneeschmelze entdeckte, denn dann versank er im Sumpf und war aus der Welt geschafft. Lagutin stieg auf das struppige Pferdchen, das er mitgenommen hatte, ritt zurück und rauchte eine große Pfeife Machorka zur Beruhigung.
    Man soll die Menschen nicht für dümmer halten, als man selbst ist. Vor allem die Soldaten nicht. Und wenn man auch, wie ich, der Ansicht ist, daß man mit dem Anlegen der Uniform den Verstand auf der Kleiderkammer abgibt, so ist das falsch, Freunde! Es ist vermessen, so etwas zu sagen, denn Soldaten haben Augen, und was man sieht, ist eindeutig!
    So entdeckte denn der Unteroffizier Knoswolski am Abend den in der Senke auf der Seite liegenden Jeep und schlug Alarm. Es nutzte Lagutin nichts, daß er den Dummen spielte, den Blinden und Tauben … vor Maxim Sergejewitsch Jefimow begann er zu singen, getreu der Devise Jefimows, daß eine Nachtigall … Aber das wissen wir ja schon, Genossen.
    Als es wieder Nacht wurde, fuhr man den unkenntlich gewordenen Lagutin nach Kusmowka ins Gefängnis. Dort warf man ihn auf eine rohe Holzpritsche, ohrfeigte ihn noch einmal gründlich, nannte ihn einen Kapitalistenknecht und überließ den Blutenden und unförmig Aufgequollenen seinen trüben Gedanken.
    Oberst Karpuschin aber stand vor der Karte und sagte zu den Offizieren der eingesetzten Militäreinheiten:
    »Genossen! Sie haben jetzt einen schnellen Schlitten, zwei Pferde und Verpflegung für mehrere Monate! Vor allem aber Waffen! Es hat keinen Zweck mehr, nur im Gebiet Krasnojarsk zu suchen – wir müssen auch die jakutischen Genossen verständigen. Wenn es den Flüchtigen gelingt, in die tiefen Wälder einzudringen, kann uns nur ein Zufall helfen!«
    Das war ehrlich gesprochen.
    Auch Oberst Matweij Nikiforowitsch Karpuschin kapitulierte vor der Taiga. Aber es war eine ehrenvolle Kapitulation.
    Wer hat schon die Taiga besiegt?
    Bitte – man nenne mir einen Namen …
    In diesen Tagen fuhr der freundliche Bauer an der tschechischen Grenze zum Besuch seiner Tante nach Frankfurt. In Wirklichkeit reiste Major James Bradcock ins Hauptquartier des deutschen

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