Liebesnöter
Sie gemalt hat?«
»Sie hat mich nicht gemalt.«
»Aber Sie müssen doch von ihr gemalt worden sein, woher sollte sonst dieses Portrait kommen?«
Margareta zuckte mit den Achseln, und es war offensichtlich, dass für sie das Thema erledigt war. Dann ließ sie Ella einfach stehen.
Ella sah ihr nach, und in dem grobmaschigen braunen Umhang, den sie fest um sich geschlungen hatte, sah sie von hinten aus wie aus einem anderen Jahrhundert.
Das ist doch nicht zu glauben, dachte Ella und hatte einen plötzlichen Mitteilungsdrang. Aber wem konnte sie das jetzt erzählen? Wie blöd, dass Steffi so weit weg über dem Teich war. Ob sie ihre Mail inzwischen gelesen hatte? Wie spät war es denn gerade in New York? Sie rechnete zurück. Entweder war Steffi noch in einer Disco oder im Tiefschlaf.
Was sollte sie jetzt tun?
Eigentlich unglaublich, dachte sie. Eine Malerin, die niemand kennt und die Leute porträtiert, die niemals Modell gesessen haben. Wie war das möglich?
Und wo kam das Portrait von Moritz her?
Ein Windstoß ließ sie aufblicken. Eine dunkle Wolkenfront schob sich langsam über die hohen Giebel der wunderschön restaurierten Häuser, und mit den Wolken wurde es ungemütlich und kalt. Ella schlüpfte in ihren Pullover und war froh, dass sie vorgesorgt hatte. Ihr Lehrgeld hatte sie gestern bezahlt, das würde ihr heute nicht noch mal passieren. Sie sah sich um. Der Platz hatte sich geleert, die Menschen waren in die umliegenden Cafés oder in das angrenzende Nobel-Museum geflüchtet, ein beeindruckendes Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, wie Ella im Reiseführer nachgelesen hatte. Wenn sie noch Zeit finden würde, wollte sie dort unbedingt hinein.
Aber jetzt machte sie sich erst mal auf den Weg zur Galleri Anna K. , und sie wunderte sich selbst, wie gut sie sich in der Zwischenzeit in Gamla Stan zurechtfand. Da der hohe Turm der Deutschen Kirche, dort hinten das monumentale bronzene Standbild eines Drachenkämpfers und in einer der kleinen, versteckten Straßen die Galerie von Anna Kjerstidotter.
Was sie wieder dorthin trieb, konnte sie nicht sagen. Wollte sie noch eine unfreundliche Abfuhr kassieren? Aber was blieb ihr anderes übrig? Alle neunundsiebzig Inger Larssons von Stockholm abgrasen und vielleicht auch noch die aus den umliegenden Dörfern und Höfen und weiß Gott noch wo?
Sie wäre fast an der Galerie vorbeigelaufen. Ella blieb erschrocken stehen. Sie wollte nicht unbedingt gesehen werden. Schon gar nicht von Anna Kjerstidotter. Aber die Galerie sah wie ausgestorben aus. Kein Mensch weit und breit.
Ella suchte sich auf der gegenüberliegenden Seite der Straße ein großes Schaufenster und tat so, als würde sie die Auslage des Geschäfts studieren. Im Fensterglas spiegelten sich die Häuser in ihrem Rücken, und auf diese Weise konnte sie die Galerie unauffällig beobachten. Aber wie lange war es überzeugend, interessiert in ein Antiquitätengeschäft hineinzustarren?
Und dann begann sie die Auslage wirklich zu studieren. Viele kleine Kostbarkeiten lagen da, ein Champagnerkühler aus Silber, der so edel und teuer aussah, dass er nicht einmal ein Preisschild trug. Auch die anderen Antiquitäten waren nicht ausgezeichnet. Der schwarze Scherenschnitt einer fauchenden Katze mit bedrohlichem Buckel und ausgefahrenen Krallen fiel ihr auf. Das Motiv schmückte kleine, runde Emailleschilder mit dem Spruch »Varning för Katten«. Ella fand das so witzig, dass sie sofort an ein Mitbringsel für ihre Eltern dachte. Die hatten einen kampferprobten Kater und würden das originelle Warnschild sicherlich direkt über dem Klingelknopf anbringen. Der Gedanke gefiel ihr, bis sie die flache Servierplatte mit dem feinen blauen Muster am Rand und den beiden bunten Paradiesvögeln auf blühenden Zweigen entdeckte.
Sicherlich unbezahlbar. Wenn das richtig alt ist, dann kostete das nicht unter fünfhundert Euro. Zweihundertfünfzig würde sie höchstens geben, dachte sie, während ihre Beine sie schon über die Schwelle trugen.
Ein älterer Herr saß im Dämmerlicht des vollgestellten Raums in einem Lehnstuhl und unterhielt sich mit einer Amerikanerin, die sich gerade wortgewaltig über die Sachen ausließ, die sie wohl bei ihrem letzten Aufenthalt hier gekauft hatte. Ella hörte kurz zu, und da sie nicht beachtet wurde, schaute sie sich suchend im Laden um. Hinter einer Art Tresen stand ein hoch gewachsener Mann und lächelte sie freundlich an. Nach seinem Pullover und der Art zu urteilen, wie er seine Haare
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