Liebesnöter
wegen Fortpflanzung und so. Bei Roger sah sie ein paarmal heimlich hin. Die Hose sah im Schritt so prall aus. Und der blaue Stoff war etwas abgewetzt. Irgendwie machte sie das an. Wie bei einem muskulösen Handwerker, dachte sie, der ganze Kerl war ziemlich griffig.
Dabei war er ein Schreiberling. Seltsam.
Ihr Blick löste sich, und sie bemerkte, dass seine Augen auf sie gerichtet waren. Sie sahen sich eine Weile wortlos an. Dann legte er seine Gabel aus der Hand, stand auf, trat hinter ihren Stuhl und öffnete von hinten ihren Bademantel. Während der Stoff über ihre Schultern nach unten glitt, hob er ihre schweren Haare langsam hoch, küsste hingebungsvoll ihren Nacken, ihren Haaransatz und knabberte zärtlich an ihrem Ohr. Ella saß stocksteif da. Eine Gänsehaut jagte die nächste, gleichzeitig wurde ihr heiß. Seine Hände glitten ihre Oberarme hinunter und von dort auf ihre Brüste. Sie spürte seinen Atem in ihrem Nacken. Ihr Blut jagte durch ihren Körper, es pulsierte in ihrem Kopf und in ihrem Schoß. Schließlich fuhr sein rechter Arm mit einer schnellen Bewegung unter ihre Kniekehlen, und mit seinem linken fasste er unter ihre Achseln, hob sie sanft hoch und trug sie die wenigen Schritte zum Bett.
Sie beobachtete ihn, wie er sich auszog, und das machte sie nur noch mehr an. Er war tatsächlich rasiert. An dem ganzen Kerl fand sich kein einziges Härchen. Er begann sie mit seiner warmen, festen Hand zu streicheln, wie sie noch nie gestreichelt worden war. Sie wand sich vor Lust unter seinen Berührungen, als er langsam nach unten zwischen ihre Schenkel glitt. Seine Zunge tastete sich vor, fand ihr Ziel, und bevor Ellas Körper unter seinen immer intensiveren Küssen ein ekstatisches Eigenleben entwickelte, dachte sie noch, ich muss es Ben sagen.
Roger hatte sich verabschiedet, sie lag noch wohlig erschöpft im Bett und war sich nicht sicher, ob sie aufstehen wollte. Draußen war es grau in grau, und sie dachte über ihre Tagesplanung nach: Was wollte sie als Erstes tun? Was wollte sie überhaupt tun? Und: Was war Erfolg versprechend?
Sie hatte sich die Decke über den Kopf gezogen und hätte gern alles ausgeblendet: den Tag, Moritz, ihre Suche, ihren gestrigen Misserfolg, das Gespräch mit Ben, Ben überhaupt. Was übrig blieb, war dieses gute Gefühl, dieses Signal ihres Körpers, dass es ihm gut ging und dass er einfach so liegen bleiben wollte.
Irgendwann raffte sie sich trotzdem auf. Es war kurz vor zwölf, und es kostete sie Mühe, sich für den Tag in Schwung zu bringen. Eine Kurzgrippe wäre jetzt schön gewesen, dann hätte sie einen guten Grund gehabt, sich weiter ins Laken zu kuscheln. Und am Kopfkissen zu schnuppern. Und sich einzurollen wie ein Igel im Winterschlaf.
Das Telefon klingelte. Ella schaute hinüber. Hatte sie das heute nicht schon mal gehabt? Wahrscheinlich wollte der Roomservice wissen, wann die Zimmermädchen endlich abtragen, aufräumen und das Bett machen können.
»Ja, bitte?«, fragte sie in kränkelndem Tonfall.
»Hej!« Die Stimme klang frisch und unbekümmert. »Hier ist Siri. Geht es dir gut?«
Siri. Ella richtete sich auf. Okay, der Tag begann.
»Ja, es geht mir gut. Sehr gut!«
»Okay! Also, meine Mutter hat mal nachgeschaut, es gibt neunundsiebzig Inger Larsson in Stockholm.«
»Ja, danke. Das weiß ich schon.«
»Tut mir leid«, einen Moment lang klang Siri richtig betrübt, dann gewann ihre Fröhlichkeit wieder die Oberhand. »Was willst du jetzt tun?«
»Jetzt suche ich diese Sängerin von gestern.«
»Welche?«
»Die mit den honigfarbenen Rastalocken und der gelben Pluderhose.«
»Ach die? Die ist nachher wiedergekommen und hat noch gut eine Stunde lang gespielt. Aber mir wurde es dann zu viel, man kann diese Musik nicht ewig hören.«
Ella schüttelte nur den Kopf. Das schien typisch zu sein für ihre derzeitige Lebensphase. Ständig liefen die Dinge irgendwie anders, als sie dachte.
»Wie blöd«, sagte sie. »Die habe ich gesucht.«
Siri lachte ihr glockenhelles Lachen. Ella hielt den Hörer etwas vom Ohr weg – das war ihr in ihrer schlappen Stimmung doch etwas zu viel.
»Das weiß ich doch. Das hast du uns doch gesagt.« Sie lachte noch immer. »Sie heißt Margareta und ist heute um eins am Stortorget. Zuerst wollte sie sich nicht festlegen, sie sei überall und nirgends, aber dann habe ich ihr gesagt, du wolltest unbedingt einige CD s kaufen.«
»Schlau! Siri, du bist ein Schatz!« Ella holte vor Freude tief Luft. »Also um ein Uhr.
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