Liebesnöter
gekämmt hatte und ihr nun auch verhalten zunickte, erschien er Ella durch und durch englisch. Er erfüllte Ellas Wunsch und holte die Servierplatte aus dem Fenster. Ella fürchtete, sie könnte ihm aus den Händen fallen. Aber dann stellte er sie auf dem Tresen ab, wischte mit dem Ärmel darüber und schaute Ella an.
»Wunderschön«, sagte Ella und dachte bei sich, wie völlig bescheuert ihre Kaufstrategie war. Nun wusste der Mann, dass sie das Stück unbedingt wollte.
»O ja.« Er klang so verliebt, als ob er sich gar nicht von ihr trennen wollte.
»Was soll sie denn kosten?«
Der alte Mann im Lehnstuhl wurde hellhörig.
Der Jüngere drehte die Schale um. Aber da stand kein Preis.
»Meine Frau ist nicht da«, erklärte er einigermaßen hilflos. »Sie macht eigentlich den Laden.«
»Aha!« War das jetzt eher günstig oder eher ungünstig?
Die Amerikanerin ließ kurz von dem Alten ab, der sich heftig räusperte.
»Weißt du, was die kostet, Vater?«, fragte der Jüngere und hielt dem Alten die Servierplatte hin.
Er wiegte seinen Kopf bedächtig hin und her. »Meine Tochter führt den Laden«, sagte er.
»Aber Sie haben ihn doch früher gemacht«, half die Amerikanerin. »Aus dieser Zeit kenne ich Sie doch noch.«
»Ja, früher«, sagte der Alte und zuckte die Achseln.
»Hm«, Ella nahm die Platte in beide Hände. Sie war schön. Und sie war Liebe auf den ersten Blick. Sie konnte sie nicht hier zurücklassen.
»Kommen Sie morgen wieder«, sagte der Alte.
»Nein, das geht nicht, da bin ich schon fort«, widersprach Ella. Wer weiß, was morgen ist, dachte sie. Vielleicht würde sie dann schon bei Inger Larsson in ihrem Atelier sitzen, irgendwo tief im Wald?
»Eintausendreihundert Kronen«, sagte der Jüngere kurz entschlossen.
Ella holte tief Luft. Das sind einhundertdreißig Euro, dachte sie. Jetzt nur ganz schnell bezahlen, bevor seine Frau zurückkam und das Dreifache wollte.
Während sie die Geldscheine auf den Tisch zählte, holte der Mann ein paar Bögen Zeitungspapier, um das Kunstwerk bruchsicher einzupacken. In diesem Moment drehte sich Ella um und sah durch das Schaufenster über die Gasse zur Galerie. Durch die Scheiben der großen Eingangstür hindurch erkannte sie zwei Frauen, die offensichtlich miteinander diskutierten. Eine davon war Anna Kjerstidotter. Sie gestikulierte sichtlich aufgebracht, während die andere eher zurückhaltend wirkte. Und plötzlich drehte die sich um, ließ die Galeristin stehen und ging durch die Tür hinaus auf die Straße.
Ella rief: »Sorry, aber ich muss los«, schnappte sich die Servierplatte vom Tisch, klemmte sie sich unter den Arm und verließ mit einem: »Vielen Dank und bis bald mal wieder« den Laden. Sie war sich sicher, dass sie die anderen drei sprachlos zurückließ, aber die Frau vor ihr, so sagte es ihr Gefühl, war Inger Larsson. Woher auch immer der Impuls kam, jetzt galt es, diese Frau nicht mehr aus den Augen zu verlieren. Sie trug einen lockeren blauen Mantel über verwaschenen Jeans und nackenlanges dunkelbraunes Haar. Offensichtlich war auch sie genervt oder erregt, denn sie schüttelte immer mal wieder energisch den Kopf, als führte sie ein Selbstgespräch. Ella bemühte sich, den richtigen Abstand zu halten, nicht zu nah, aber sie wollte Inger Larsson auch nicht aus den Augen verlieren. Und dabei fragte sie sich, ob sie die Frau nicht einfach ansprechen sollte. Aber dann?
Sind Sie Inger Larsson?
Ja.
Kennen Sie Moritz Springer?
Nein, nie gehört, nie gesehen.
Damit wäre das Thema beendet. Nein, sie musste hinterher. Vielleicht brachte Inger sie zu Moritz?
Sie überquerten einen Platz, und Ella hatte die Frau vor sich gut im Blick. Und sie ahnte auch schon, wohin der Weg führte: zur U-Bahn-Station T-Centralen Gamla Stan.
Da klingelte das Smartphone, und Ella drückte blitzschnell die grüne Taste.
»Ben, es ist ganz ungünstig, ich glaube, ich habe eben Inger Larsson aufgespürt. Ich gehe ihr jetzt nach. Vielleicht führt sie mich zu ihrem Atelier. Und vielleicht hängt dort ja noch ein weiteres Bild von …«
»Du, Ella, ich muss dir was sagen …«
»Lass uns das auf später verschieben, sie geht jetzt in einen Laden. Sieht aus wie ein Lebensmittelgeschäft … ich muss aufpassen, nicht dass sie mir durch die Lappen geht wie gestern Margareta.«
»Aber…«
»Ich melde mich später«, schnitt Ella ihm das Wort ab und fügte versöhnlich ein »Kuss« hinzu, bevor sie ihn wegdrückte.
Durch die Fenster des Geschäfts
Weitere Kostenlose Bücher