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Liebesnöter

Liebesnöter

Titel: Liebesnöter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hauptmann
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beobachtete Ella, wie die Frau Gemüse aussuchte, an einer kleinen Theke Käse und schließlich einen Laib Brot kaufte. Zehn Minuten später kam sie mit einer großen Tüte aus braunem Papier wieder heraus. War das nun für eine Person? Für zwei Personen?
    Jetzt sah Ella sie zum ersten Mal von vorn, und sie wirkte wie eine erfolgreiche Architektin oder Ingenieurin. Schlank und hochgewachsen, gestreiftes Hemd und blauer Mantel, die Haare nach dem Fünf-Finger-System perfekt geschnitten. Irgendwie passte das nicht zu ihrer Vorstellung von Inger Larsson. Ihrer Vorstellung nach war Inger Larsson die große Schwester von Margareta. Vielleicht nicht gerade Rastalocken, aber doch eher künstlermäßig-alternativ gekleidet. Das hier war das Outfit einer Erfolgsfrau aus einer anderen Branche.
    Ella zweifelte an ihrer eigenen Intuition. Aber jetzt nahm die Frau ihr Tempo wieder auf und steuerte mit der Tüte unter dem Arm tatsächlich die U-Bahn an.
    Ella hatte sich von der Rezeption eine Travelcard besorgen lassen, die für alle Busse, U-Bahnen und sogar für bestimmte Fährverbindungen galt. Aber hatte es Sinn, wenn sie mitfuhr? Sollte sie sie nicht doch einfach nach ihrem Namen fragen und eine Verwechslung heucheln, wenn sie es nicht war? Aber wenn sie doch Inger war, dann würde sie Ellas Gesicht sehen und eine Portraitmalerin besaß sicher ein gutes Personengedächtnis.
    Ella schaute auf die Uhr. Egal, es war ja noch recht früh. Ob sie jetzt auf der Suche nach einem Phantom planlos durch die Altstadt lief oder ein bisschen spazieren fuhr, blieb sich eigentlich gleich. Sie stieg ein und fand einen Sitzplatz, von wo aus sie die Fremde beobachten konnte, die sich an die gläserne Zugtür lehnte, die Einkäufe neben sich auf dem Fußboden. Sie schloss die Augen.
    Ella betrachtete sie. Sie war älter, als sie auf den ersten Blick wirkte. Ella schätzte sie auf vierzig, Mitte vierzig vielleicht. Sollte sie ihr wirklich bis zur Haustür hinterherlaufen? Oder gab es vielleicht doch eine andere Möglichkeit?
    Um sich ein bisschen abzulenken, betrachtete Ella ihre Servierplatte. Das war wirklich ein Glückskauf, dachte sie. Und dann fiel ihr ein, dass sie vor lauter Schale das Mitbringsel für ihre Eltern vergessen hatte: das Schild mit der Warnung vor der Katze. Also musste sie auf alle Fälle noch mal in den Laden.
    Da hielt der Zug, und die Fremde stieg wieder aus. Was war denn das? Ella hatte Mühe, so schnell hinterherzukommen. So viele Gleise und Züge, das musste der Hauptbahnhof sein. Und jetzt?
    Zielstrebig ging die Fremde auf ein Gleis zu, offensichtlich kannte sie sich hier aus, sie musste weder auf einen Zugplan schauen, noch zögerte sie erkennbar. Ein einfahrender Zug hielt, und die Frau stieg ein. Ella konnte gerade noch einen Blick auf die nächst angegebene Haltestelle werfen: Södertälje. Keine Ahnung, wo das war. Und wieder stellte sich ihr die Frage, ob das Sinn machte. Aber jetzt war sie einmal hier, der erste Schritt war also getan.
    Inger Larsson, wenn sie es denn war, setzte sich an einen Fensterplatz und schaute hinaus. Ella suchte sich einen Sitzplatz in einiger Entfernung und bezweifelte, dass Inger irgendwas von der vorbeigleitenden Gegend sah. Sie schien mit ihren Gedanken weit weg zu sein.
    Auch Ellas Gedanken machten sich selbstständig, sie dachte an Roger. Wie konnte ein Fremder so viel Macht über ihre Gedanken erlangen? Es war verrückt. War es das Abenteuer? War es, weil ein anderer Mensch sie gerade entdeckte, erkundete, streichelte? Sie war doch immer noch sie selbst, sie musste doch wissen, was sie tat und warum. Sie wusste es nicht, sie hatte keine Antwort.
    Ella lehnte sich zurück und schaute auch hinaus. Und ließ sich verzaubern. Wasser, Wälder, Wiesen, mal erhaschte sie nur einen kurzen Blick auf das Blau eines Sees, dann breitete sich wieder eine verschwenderische Landschaft aus, dazu weiße Wolken, die sich wie Sahnehäubchen auftürmten. Ella schoss mit ihrem Smartphone ein Foto und schickte es Ben als MMS mit einem lieben Gruß.
    »Wunderschön. Genieß es!«, kam seine Antwort sofort zurück.
    »Schade, dass wir das nicht gemeinsam genießen können«, schob er gleich noch eine SMS nach.
    Hatte er vergessen, weshalb sie hier war?
    Und vor allem: Weshalb er nicht dabei war?
    Södertälje lag längst hinter ihnen, da griff die Frau nach ihrer Tüte, und Ella machte sich bereit. Sicherlich war es die nächste Station. Und was, wenn die andere nun in ein Auto stieg?
    Taxi, wie im

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