Liebesnöter
Psychoanalytiker meinem Vater erklärt. Und meine Schwester werde ihren Schulabschluss trotzdem mit der besten Note machen, und ich würde Medizin studieren, natürlich nachdem wir uns die Haare geschnitten haben …« Sie verzog das Gesicht.
Eigentlich ist sie ja wirklich noch ein kleines Mädchen, dachte Ella.
»Und?«, fragte sie, »wird das so kommen?«
»Keine Ahnung. Vielleicht. Aber vielleicht gehe ich auch zu Greenpeace und rette Wale.«
Roger stand bei ihrer Rückkehr an den Tisch auf und rückte Ella den Stuhl zurecht. Das war bei ihm eine selbstverständliche Geste, selbst in einem Künstlerschuppen wie diesem.
»Ich dachte schon, ihr hättet euch versehentlich runtergespült«, meinte er scherzhaft.
Siri sagte nichts darauf, sondern warf Ella nur einen raschen Seitenblick zu. Klar hat sie auf ihrer Brille alles mitgekriegt, dachte Ella, jedes Wort, das Ella mit Margareta gewechselt hat.
»Wäre das für die Paris Match eine Meldung wert gewesen?«, fragte Ella wie nebenbei. »Deutsche Touristin ins Klo gespült?«
Er sah sie durchbohrend an, Ella erwiderte den Blick mit ihrem harmlosesten Gesichtsausdruck. Dann schaute er zu Siri.
»Das ist so eine Sache mit dem Datenschutz in Schweden«, sagte Ella. »Das gibt es hier nicht wirklich.«
»Ein freier Autor ist ein freier Autor. Er kann als Journalist arbeiten oder als Drehbuchautor oder als das, was ihm liegt und wofür er bezahlt wird.«
»Ah, und wofür wirst du bezahlt?« Ella spürte, dass ihr Ton leicht aggressiv wurde und dass sich Siri und Liam einem eigenen Thema zuwandten, offensichtlich war ihnen diese Wendung unangenehm.
Roger beugte sich zu ihr. »Was denkst du denn, wofür ich bezahlt werde?«, fragte er leise.
»Sag es mir.«
»Jedenfalls hat es nichts mit dir zu tun, falls du so etwas vermutest.«
»Aber doch vielleicht mit meiner Geschichte?«
»Ein Mensch, dem ein Mord zur Last gelegt wird, verschwindet und wird in einem anderen Land wieder aufgespürt. So außergewöhnlich ist das nicht.«
»Aber vielleicht, wenn die Freunde des Gesuchten einen weiteren Mord vermuten – und zwar diesmal an ihm selbst? Und in der Umgebung seines Hauses nach der Leiche suchen?«
»Ist das so?«
»Das ist so.«
»Und wer soll ihn umgebracht haben – und warum?«
Ella zögerte. Steffi, dachte sie. Wie kann ich dich hierherlocken? Mit dem dringenden Wunsch an die Busenfreundin, sie hier in Schweden bei ihrer Suche nach Moritz zu unterstützen?
»Ja«, sagte sie grüblerisch, »das ist einfach die große Frage.«
Roger betrachtete sie nachdenklich. »Und warum werde ich einfach das Gefühl nicht los, dass du mir etwas Wesentliches verschweigst?«, fragte er nach einer Weile.
»Weil du einfach ein misstrauischer Mensch bist!« Ella schenkte ihm einen Kussmund.
»Nun gut«, er lachte und hob sein Glas in Richtung Siri und Liam. »Und Freunde, stoßen wir an, wir sind zum Feiern gekommen!«
In diesem Moment ging die Musik wieder los.
Es war nach drei, als sie im Hotelzimmer ankamen. Ella dachte flüchtig an Bens Mail, aber Roger drückte sie direkt neben der Tür an die Wand, und in Ella stieg die Lust hoch, die ihre Phantasie schon in der engen Gasse entfacht hatte. Er schob ihren Pullover mitsamt dem BH nach oben, und sie zerrte seinen Gürtel auf. Fieberhaft zogen sie sich gegenseitig so weit aus, dass Ella ihre Beine um seine Hüften schlingen konnte und er mit einem Stoß in sie eindrang. Er liebte sie hart und heftig, und Ella kam schneller als je zuvor, sie krallte sich an ihm fest und schrie ihm ins Ohr, und dann explodierte auch er.
»Wow!«, sagte sie, als sie langsam von ihm abließ. Er sagte nichts, sondern trug sie aufs Bett. »Willst du mich heiraten?«, fragte er, als er sich neben ihr ausgestreckt hatte.
»Was?« Ella sah zu ihm hinüber.
»Das sagen französische Männer in dieser Situation immer«, sagte er. »Wenn es einfach ultra war. Dann möchte man dieses Gefühl behalten.«
»Und die Frau zu diesem Gefühl«, ergänzte sie.
»Genau …«
Ella griff zu ihm hinüber. »Und wie oft hast du auf diese Weise schon geheiratet?«
»Heute das erste Mal«, murmelte er, und beim nächsten Atemzug war er eingeschlafen.
Freitag
Um sieben wachte Ella auf. Roger hatte einen Arm um sie gelegt und drückte auf ihren Busen. Sein ganzer Körper zuckte, anscheinend träumte er heftig. Ella überlegte, wie sie sich von ihm befreien konnte, ohne ihn aufzuwecken, und schlüpfte schließlich vorsichtig unter seinem Arm
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