Liebesnöter
Fuß dagegen.
»Du bist tot!«, herrschte sie sich an. »Und das bleibst du gefälligst auch!«
Dann überfiel sie ein Hustenanfall, und sie krümmte sich zusammen. Fast hätte sie das Klopfen überhört.
»Ella! Komm da raus!«
Sie rührte sich nicht.
»Hörst du? Es ist gut. Es ist nichts passiert. Aber komm da raus!«
Ella blieb sitzen.
»Ich will mit dir reden!«
»Bleib, wo der Pfeffer wächst«, antwortete sie, aber schon nicht mehr so laut. Im nächsten Moment war sie aufgestanden und öffnete die Tür. »Tut mir leid«, sagte sie betreten.
Roger hatte ein Badetuch um die Hüfte geschlungen und schüttelte den Kopf. »Zumindest wird es einem mit dir nicht langweilig!«
»Hab ich dich verbrüht?«
Er musste lachen. »Nein, eher garniert. Mit ganz viel Milchschaum …«
Er schloss sie in die Arme, und Ella holte tief Luft. »Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist, eigentlich wollte ich überhaupt nicht reagieren.«
»Dein zweites Ich scheint ehrlicher zu sein.«
»Ja, vielleicht.« Sie nickte. »Es war offensichtlich das falsche Wort im falschen Augenblick.«
Ella schaute an ihm vorbei zum Sessel. Er hatte die Scherben schon weggeräumt und die Kaffeeflecken aufgewischt.
»Und was stört dich an dem Wort ›Liebesabenteuer‹ so sehr?«, wollte er wissen, hielt aber zur Vorsicht ihre beiden Handgelenke fest.
»Weiß ich auch nicht«, sagte sie. »Es hört sich so … so unbedeutend an.«
»Und es soll nicht unbedeutend sein?« Roger drückte sie etwas von sich weg, um in ihr Gesicht sehen zu können.
»Wohl nicht …« Ella verzog leicht den Mund.
»Dann müssen wir uns was überlegen.« Er küsste sie. »Unbedeutend sollst du dich nicht fühlen.«
Sie bestellten zwei frische Cappuccini, und Ella schrieb Ben eine Antwort, während Roger seinen eigenen Laptop hochfuhr.
»Lieber Ben, ich weiß, dass ich dir sehr wehtue, und das tut mir sehr leid, aber im Moment kann ich das nicht ändern. Da toben zwei Seelen in meiner Brust, und ich werde selbst nicht wirklich schlau aus mir. Alle paar Minuten denke und empfinde ich anders. Vielleicht bin ich wirklich sehr nah an Moritz dran, vielleicht entfacht Inka deshalb solche Gefühle in mir, ich weiß es nicht. Wenn der Satz: Nicht mehr Herr seiner Sinne zu sein auf irgendjemanden zutrifft, dann ganz sicherlich auf mich, denn genauso fühle ich mich gerade … ich bin nicht mehr Herrin meiner Sinne. Was Steffi betrifft, so erstaunt mich ihr Verhalten auch, aber ganz sicher gibt es dafür einen triftigen Grund. Ich werde ihn herauskriegen! Pass auf dich auf, ich trage dich in meinem Herzen, und das wird auch immer so bleiben – deine Ella.«
Sie las ihre Mail noch einmal, dann schickte sie sie ab.
»Inger muss ich anrufen«, sagte sie plötzlich. »Da hat sich doch nun einiges ereignet.« Sie dachte an das Foto von Steffi und Moritz. Wie lang war das her? War Moritz zweigleisig gefahren? Das konnte sie Inger nicht sagen, sie hatte es ja noch nicht einmal Roger gesagt. Warum eigentlich nicht, sagte sie sich. Irgendetwas in ihr widersetzte sich dagegen, aber sie wusste immer noch nicht, was.
Inger nahm nach dem dritten Klingeln ab.
»Dein Bild ist fast fertig«, sagte sie sofort auf Deutsch. »Ich habe die ganze Nacht durchgearbeitet. So viel lässt mir im Moment keine Ruhe, da tut mir das harmlose Abmalen von Paradiesvögeln und Blumengirlanden gut.«
»Hej, Inger«, Ella saß noch immer im Bademantel auf der kleinen Couch und versuchte sich zu konzentrieren. »Ich war gestern in seiner Werft.«
Erst war es still, dann hörte sie Ingers Stimme. »Ja, da war ich nicht so häufig. Er war meistens bei mir. Das eine sei sein Geschäft, das andere privat, hat er immer gesagt.«
Ella dachte an sein Bett, das er mit Steffi geteilt hatte.
»Margareta, das ist das Mädchen mit den roten Rastalocken und den wasserblauen Augen, erinnerst du dich?«
»Klar erinnere ich mich.«
»Dieses Portrait hast aber nicht du gemalt …?« Sie ließ den Satz absichtlich in der Luft hängen.
»Nein«, sie zögerte, »Nils hat hier sein Talent zum Malen entdeckt. Wir haben es unter meinem Namen laufen lassen, weil es mehr Geld bringt, aber dieses Bild ist ihm gut gelungen. Was ist damit?«
»Margareta und ihre Schwester sind quasi mit Nils aufgewachsen. Er kam mit achtzehn als Au-pair-Junge zu ihnen.«
Inger war kurz still. Dann sagte sie: »Von zwei Mädchen hat er mir erzählt, allerdings hat er sie immer als seine Schwestern bezeichnet. Wohnt diese
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