Liebesnöter
ihm wissen?«
»Er war nicht nur der Geliebte von Inger«, sagte sie, und ein verächtlicher Zug legte sich um ihren Mund. »Da gab es diese Frau aus Deutschland, die ihn massiv bedroht hat.«
»Massiv bedroht?« Ella schluckte. »Steffi? Hieß sie Steffi?«
»Ja! Steffi! » Margaretas Stimme war dunkler geworden, und sie sah aus, als würde sie gleich vor sich auf den Boden spucken. Ihre Brauen hatten sich zusammengezogen, und die hellen Augen waren aus engen Schlitzen kaum zu erkennen. »Steffi! So hieß sie. Als Nils verschwunden ist, haben wir gleich nach ihm gesucht. Und meine Schwester ist sogar in sein Haus gezogen, damit wir auf Hinweise stoßen. Aber nichts.«
Ella spürte einen Adrenalinausstoß. Die Schwarzhaarige, der Punk. Sie hatte sie doch gleich an Margareta erinnert.
»Hinweise? Worauf?«
Margareta stieß die Luft so heftig aus, dass ein Pfeifton entstand. »Wir suchen, weil wir glauben, dass Steffi ihm vielleicht was angetan hat.«
»Nein!« Das war Ella so herausgerutscht. Steffi? Nun war sie nicht nur seine Geliebte, sondern sollte auch noch seine Mörderin sein?
Hinter ihnen ging die Toilettenspülung, und gleich darauf kam Siri zur Tür heraus. »Alles in Ordnung?«, fragte sie Ella.
»Ja, alles bestens!«
Margareta beäugte Siri misstrauisch. Hoffentlich spürte Siri, dass sie störte. Siri ging zum Waschbecken, und Margareta machte unwillig einen Schritt zur Seite, aber dieser Schritt schien sie zur Besinnung zu bringen.
»Und überhaupt geht dich das Ganze gar nichts an«, schloss sie und trat auf Ella zu, um zu gehen.
»Vielleicht doch«, sagte Ella schnell. »Ich habe deine Schwester in Nils’ Haus kennengelernt. Ich weiß nur nicht, wo da der Zusammenhang besteht. Und außerdem ist der Taxifahrer, der mich zu Nils gefahren hat, verschwunden. Auch das kann ich mir nicht erklären.«
Margareta zuckte mit den Schultern. Siri wusch sich ausgiebig die Hände und suchte mit Ella im Spiegel Blickkontakt. »Ich kann mir nicht erklären, warum du nach Nils und Inger suchst. Was hast du mit ihnen zu tun? Du kommst doch aus Deutschland?«
»Nils ist in Deutschland aufgewachsen und war mein Schulkamerad. Wir haben gemeinsam das Abitur gemacht, damals hieß er noch Moritz. Dann ist er verschwunden. Und ein Portrait von ihm hat mir gezeigt, dass er noch lebt.«
»Und deshalb reist du nach Schweden? Wegen eines Schulkameraden?« Margareta verzog ungläubig das Gesicht. »Und warum sollte er nicht mehr leben?«
»Weil er so plötzlich verschwand. Wir waren in Sorge um ihn.«
Margareta musterte sie. »Vor wie vielen Jahren?« Sie schüttelte den Kopf. »Und bis heute in Sorge? Wo doch Steffi, die du ja doch wohl auch kennst, ihn längst gefunden hat? Findest du das nicht selbst ein bisschen seltsam? Vorausgesetzt, dass euer Moritz überhaupt unser Nils ist.«
Ella nickte und schickte Siri einen warnenden Blick. Halt dich ruhig, beweg dich nicht, Margareta hat dich wieder vergessen. »Ich finde das auch seltsam. Ich finde überhaupt alles sehr seltsam. Auch die Verbindung von dir und deiner Schwester zu Moritz.«
»Zu Nils«, korrigierte Margareta. »Das ist nicht seltsam. Er kam als Au-pair-Junge zu uns. Wir waren noch sehr klein, meine Schwester war zwei und ich fünf Jahre alt.« Sie wechselte übergangslos vom Englischen in perfektes Deutsch. »Wir sind mehr oder weniger mit ihm aufgewachsen. Er war in unserer Familie wie ein großer Bruder, und später ging er bei einem Bootsbauer in die Lehre und hat sich mit dieser kleinen Werft selbstständig gemacht.«
»Und ihr hattet immer Kontakt?«
»Mehr oder weniger.« Sie legte ihre Stirn in Falten. »Er hat uns vieles erzählt«, sie stockte. »Aber natürlich nicht alles. Und trotzdem! Ich versteh noch immer nicht, warum das alles so geheimnisvoll sein soll?«
Sollte Ella ihr von Inkas Tod erzählen?
»Habt ihr der Polizei von eurem Verdacht erzählt?«, fragte sie stattdessen.
»Die Polizei hat das gar nicht ernst genommen. In Schweden verschwinden laufend Leute. Manche fahren einfach woandershin, weil sie neu anfangen wollen. Aus welchen Gründen auch immer. Es gibt keine Leiche, also gibt es auch kein Verbrechen.«
»Und wer ist das nun in Nils’ Haus?«, wollte Ella wissen.
»Meine Schwester, ihr Freund und noch ein paar aus der Szene. Nette Typen, vielleicht ein bisschen schlampig, aber das kommt daher, weil wir zu Hause immer alle so super ordentlich und piekfein sein mussten. Eine Kontrareaktion, so hat es der
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