Liebesnöter
wusste, aus welchem Grund. Nur Ben. Und Steffi.
Steffi?
Der Gedanke war absurd. Steffi und Roger? Quatsch, das machte gar keinen Sinn. Und dann hätte ja auch diese Rezeptionistin mitspielen müssen. Und wozu?
Ella schüttelte den Gedanken ab.
»Netter Typ, dieser Alain.« Roger war völlig aufgeräumt, er sprühte förmlich vor guter Laune und sah besonders anziehend aus, stellte Ella widerwillig fest.
Eine junge Kellnerin kam an den Tisch, und Liam bestellte kurzerhand viermal Roastbeef und Bratkartoffeln. »Das war doch in deinem Sinne?«, fragte er Roger, nachdem das Mädchen wieder gegangen war.
»Klar, wunderbar!« Roger nickte und prostete Siri zu: »Wir haben zwar schon gegessen, aber es ist trotzdem eine wunderbare Idee von dir!« Er beugte sich zu Ella herüber und küsste sie auf den Mund. »Mit dir erlebe ich die tollsten Dinge«, sagte er und zwirbelte ihre Haare. »Vielleicht sollte ich dich heiraten, du scheinst mir Glück zu bringen.«
»Au ja, tolle Idee«, sagte Ella. »Gibt es in Frankreich kein Gesetz gegen Bigamie?«
»Gesetze?« Er lachte. »Das interessiert keinen Franzosen. Zumindest keinen echten.«
Liam lachte auch. » Savoir vivre heißt das wohl. Das Leben genießen und sich nicht so viel um andere Belange scheren, aber ich glaube, das ist schon ziemlich südländisch.«
Ella stand auf. »Ich gehe mal kurz zu dem Künstlertisch, vielleicht sind ja die Männer vom letzten Mal da, Robert, der Musiker, und Jesse, der Maler. Wenigstens zum Hallosagen.«
»Wenn du überhaupt bis dahin kommst.«
Ja, Liam hatte recht. Der Tisch war dicht umringt.
»Dann gehe ich halt zur Toilette«, sagte sie.
»Auch eine Alternative«, Siri lächelte. »Warte, ich komme mit.«
Zwei Frauen auf dem Weg zum Klo, dachte Ella, wie bescheuert. Sie ging nie zu zweit zur Toilette, weil sie genau dieses weibliche Verhaltensmuster nicht erfüllen wollte. Doch diesmal war es gut. Siri kannte die Schleichwege. Nur nützte es nichts, der Rückstau vor den Toiletten war schon ziemlich lang.
»Da stehen wir ewig«, erklärte Siri, und Ella erinnerte sich an die Toiletten im Bürotrakt für die Mitarbeiter.
Sie fand die Tür wieder, und tatsächlich: Hier im Gang waren sie völlig allein. Ella versuchte sich zu erinnern. Welche der hier abgehenden Türen führte zur Damen-Toilette? Sie waren nicht beschriftet. Oder doch? Das kleine Schild neben dem Türrahmen? Sie trat näher, und in dem Moment ging die Tür auf. Margareta stand vor ihr.
»Hoppla«, sagte Margareta und wollte an ihr vorbeigehen.
»Margareta?« Die Musikerin blieb stehen und sah Ella an. Ihre gezwirbelten, dicken Haare waren jetzt zinnoberrot, sie trug ein leuchtend blaues Leinenhemd und ihre gelben Pumphosen. Sie war tatsächlich ein Phänomen. Diese blasse Haut, die wasserblauen Augen, der kirschrote Mund.
»Kennen wir uns?«, fragte sie in ihrer melodiösen, leicht singenden Art.
»Wir haben uns über die Malerin Inger unterhalten, die …«
»… die mich nicht porträtiert hat. Richtig!« Sie lächelte und offenbarte kleine weiße Zähne. Kinderzähne, dachte Ella.
Siri sah sie von der Seite an. »Lässt du mich mal kurz vorbei, dann kann ich schon mal …«
Ella trat zur Seite, voller Angst, Margareta könne ihr wieder davonlaufen, denn jetzt war ihr schlagartig eine Erkenntnis gekommen.
»Wenn Inger Sie nicht porträtiert hat, und das haben Sie mir ja auch schon gesagt, wer war es dann?«
Margareta lächelte süffisant. »Ja, wer war es?«
»Hieß er Nils Andersson?«
Margareta lächelte jetzt nicht mehr, ihr Gesicht verzog sich schlagartig, aber bevor Ella Trauer oder Schmerz herauslesen konnte, ging das Licht aus. Mist, dachte sie und schaute sich im Dunkeln nach dem Lichtschalter um. Mit einer Hand drückte sie die Tür zum Toilettenraum auf, wo das Licht noch brannte. Also kein Totalausfall durch überlastete Sicherungen, sondern eine Zeitschaltung, dachte sie erleichtert. Margareta stand noch neben ihr, schon das erschien ihr wie ein Wunder.
»Woher weißt du von Nils Andersson?«
Aha, jetzt war die Neugier auf Margaretas Seite. Das war gut, dachte Ella.
Die Tür zum Gastraum flog auf, und ein Kellner kam schwitzend herein. Er beachtete sie nicht, sondern verschwand in dem Vorratsraum nebenan. Margareta ging in den Toilettenraum zurück, lehnte sich mit dem Rücken an das einzelne Waschbecken und verschränkte die Arme.
Ella schloss die Tür hinter sich. »Er war der Geliebte von Inger. Warum sollte ich nicht von
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