Liebesnöter
durch. Er murmelte etwas, drehte sich um und schlief weiter.
Ella schaltete ihr Netbook ein und ging, während es hochfuhr, ins Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen. Als sie zurückkam, stand Roger vor ihrem Computer.
»Na, aufgewacht?« Ella ging auf ihn zu.
»Na, Geheimnis?« Er lächelte ihr zu.
»Klar«, sagte sie. »Du doch auch.«
Er nahm sie in den Arm. »Guten Morgen, ma chérie, ich bestelle uns zwei Cappuccini, und du liest mal deine geheimnisvolle Mail.«
»Sie ist nicht geheimnisvoll. Sie ist von dem Mann, mit dem ich bis vor sechs Tagen zusammen war.«
»Oh, là, là«, Roger schnalzte mit der Zunge. »Wäre er der richtige Mann für meine Frau?«
Ella musste lachen. »Kommt drauf an. Aber im Prinzip … warum nicht?«
Roger deutete auf das Netbook. »Ich habe eher das Gefühl, er will um dich kämpfen.«
Ella zuckte die Achseln. »Ich habe das Gefühl, ich lese erst mal, was er geschrieben hat, dann bin ich schlauer.« Sie setzte sich, öffnete die Mail und sah dabei Roger zu, wie er zum Telefon ging. Er hat einen wunderschön geformten Hintern, dachte sie, den schönsten Po, den sie je an einem Mann gesehen hatte. Moritz hat auch einen tollen Po und überhaupt eine sehr athletische Figur. Sie grinste. Ja, stimmt, der Einwand war berechtigt. Sie hatte schließlich die Fotos gesehen.
»Schreibt er so fröhlich?«
Ella sah auf. Roger hatte sie beobachtet.
»Ich habe es noch nicht gelesen. Ich habe gerade deinen Hintern bewundert.«
»Na, na, na …« Er drohte scherzhaft mit dem Zeigefinger.
Eigentlich wollte sie gar nicht lesen, was Ben schrieb. Es würde wehtun. Vor allem befürchtete sie, dass er traurig war und sehr unter der Trennung litt. Ich bin feige, dachte sie, ich will mich nicht damit belasten. Augen und Ohren zu, das tut weniger weh.
Aber jetzt war die Mail schon einige Stunden alt, jetzt musste es einfach sein.
»Liebe Ella«, schrieb Ben. »Dass mir so manches nicht in den Kopf geht und dass da alle Grübelei nicht helfen mag, ist dir natürlich klar. Zu schnell kam für mich deine Entscheidung, die nicht nur schmerzt, sondern auch schwer zu verstehen ist. Aber darüber können wir reden, wenn du wieder zurück bist. Wenn du überhaupt noch einmal zurückkommst … ich habe da so meine Zweifel.« Ella holte Luft. Quatsch, dachte sie. Was sollte sie denn in Stockholm? Oder dachte er etwa, sie ginge mit Roger nach Paris? Sie las weiter. »Seltsam finde ich allerdings, und deshalb schreibe ich dir, dass Steffi völlig überraschend hier aufgetaucht ist. Sie hat mich gestern Abend besucht, was sie noch nie ohne dich getan hat, und mich so auffallend harmlos ausgefragt, dass ich nicht schlau daraus wurde. Wenn sie wissen will, in welchem Hotel du wohnst, warum fragt sie nicht dich selbst? Oder was du herausgefunden hast. Ich habe viel Arbeit vorgetäuscht und dass ich nicht über den neuesten Stand informiert sei. Sie hat sich dann wieder verabschiedet, aber sie wirkte anders als sonst. Unruhig, besorgt. Und jetzt mache ich mir auch Sorgen. Ist es gefährlich, was du da tust?« Gefährlich? Ella überlegte. Bisher fühlte sie sich nicht gefährdet. Nicht mal in Nils’ Haus, dann schon eher in dem stockdunklen Bootshaus, und das war nicht Nils gewesen, sondern Roger. »In Liebe, Ben.«
In Liebe, Ben, dachte Ella.
»Dass du schon so fit bist?« Roger kam im Bademantel aus dem Badezimmer, einen zweiten hatte er sich für Ella über den Arm gelegt.
»Warum nicht?«, fragte sie.
»Nun, gestern war doch ganz schön viel los. Überleg doch mal: Inger, dann Bootshaus, dann Marokkaner und schließlich noch diese Musikkneipe.«
»Ein ganz normaler Tag halt!« Ella lächelte und schlüpfte in den weißen Hotelbademantel, den Roger ihr hinhielt. »Wenn ich zu Hause arbeite, sind die Tage oft anstrengender, hektischer, stressiger und länger …«
»Macht die Arbeit wenigstens Spaß?«
Ella überlegte, schließlich zuckte sie die Achseln. »Manchmal. Nicht immer. Und wenn ich genau darüber nachdenke, immer weniger.«
»Dann wird es Zeit, dass du den Beruf wechselst.«
Ella musste lachen. »Und was soll ich deiner Ansicht nach tun?«
»Du wirst Privatdetektivin. Ich denke, du hast gute Anlagen dazu.«
Ella wiegte den Kopf.
»Was steht denn nun in deiner Mail?«, wollte er wissen und blieb neben ihr stehen, aber diskret genug, um nicht auf den Bildschirm sehen zu können.
»Ben versteht die plötzliche Trennung nicht, und außerdem war gestern Abend meine allerbeste
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