Liebesparadies im Alpenschnee
regelmäßige Besuche in Chamonix versprechen. Hoffentlich spielte Philippe mit.
Sie wandte sich an Raoul. „Philippe nennt dich den besten Onkel der Welt. Das bist du wirklich.“
Dann gab sie ihrem Sohn einen liebevollen Klaps. „Und nun ab ins Bett, junger Mann. Lauf schon einmal vor ins Bad. Ich komme gleich.“
Nachdem er sich von Crystal verabschiedet hatte, fuhr Raoul nach Hause. Auf Socken ging er zum Kühlschrank, fand nichts, worauf er Appetit hatte, und wanderte ohne das Licht anzuknipsen weiter ins Wohnzimmer. Im Winter verzichtete er häufig auf künstliche Beleuchtung, um sich an der abendlichen Winterlandschaft vor den Fenstern zu erfreuen. Obwohl er sein ganzes Leben hier verbracht hatte, faszinierte sie ihn noch immer. Im Himalaja hatte er noch eindrucksvollere Gletscher gesehen, doch der unterhalb des Montblanc war ihm vertraut und deshalb für ihn der herrlichste.
Was hatte Philippe vorhin gesagt, als sie hier gemeinsam gegessen hatten? „Der Berg sieht aus wie ein König mit einer Eiskrone auf dem Kopf.“
„Das hast du gut beobachtet“, hatte er erwidert und dem Jungen die Schulter gedrückt. Erics Sohn besaß eine gute Beobachtungsgabe und Sinn für die Natur. Raoul wurde es warm ums Herz. Schon vor langer Zeit hatte sich der Junge dort hineingeschlichen und einen der wichtigsten Plätze eingenommen.
„Warum hast du keinen Tannenbaum?“, hatte Philippe gefragt.
„Damit wollte ich bis zu deiner Ankunft warten. Morgen nehme ich mir frei, und wir können einen aussuchen gehen. Hast du Lust, etwas zu basteln, womit wir ihn schmücken können?“ Seit Jahren war bei ihm keine Weihnachtsstimmung aufgekommen.
Der Kleine hatte den Kopf an ihn gelehnt und geseufzt. „Ich wünschte, Mommy und ich könnten für immer bei dir bleiben und nie mehr weggehen. Ich wünsche es mir so sehr.“
Augenblicklich hatten diese Worte Raoul in den Bann geschlagen.
„Ich mir auch“, bekannte Raoul. Tief in seinem Innersten wünschte er sich das schon lange, hatte sich diese Gefühle aber immer wieder verboten.
Philippe sah ihn erwartungsvoll aus seinen leuchtend blauen Augen an. „Bitte frag Mommy, ob sie einverstanden ist. Auf dich hört sie mehr als auf mich.“
Raoul erschrak. Hatte er sich so gehen lassen und Philippe seine persönlichsten Wünsche verraten? „So einfach ist das nicht, mon gamin . Ich bin nicht dein Dad.“
Crystal hatte ihn erst heute Morgen daran erinnert. Was hatte sie damit zum Ausdruck bringen wollen?
„Ist mir egal“, sagte Philippe
Raouls Herz begann zu klopfen. Er fühlte sich diesem Thema im Augenblick nicht gewachsen. „Komm, zieh deinen Anorak an. Wir gehen Schlittschuh laufen. Und dann fahre ich dich nach Hause, damit du rechtzeitig ins Bett kommst.“
Mit dem Leihwagen hatte ihm Crystal einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er war nämlich entschlossen gewesen, Philippe jeden Tag in die Schule zu bringen und wieder abzuholen. Auf diese Weise hätte er auch einen Vorwand gehabt, Crystal zu sehen, wenn sie schon tieferen Gesprächen mit ihm auswich. Aber den Kontakt zu seinem Neffen wollte er keinesfalls einschränken. Philippe brauchte ihn und wollte mit ihm zusammen sein, solange er hier war.
Das Gespräch mit dem Jungen hatte eine tiefe Wunde wieder aufgerissen. Er musste etwas unternehmen, sonst würde er heute Nacht nicht schlafen können, und den Rest seines Lebens wahrscheinlich ebenso wenig.
4. KAPITEL
Nachdem sie Philippe zur Schule gebracht hatte, fuhr Crystal zum Familienunternehmen der Broussards und stellte den Wagen auf dem Parkplatz für Angestellte ab. Das berühmte Bergsteiger-Fachgeschäft ähnelte einem riesigen Chalet und hielt alles bereit, was Wanderer, Kletterer, Skifahrer und Snowboarder brauchten, von der passenden Kleidung bis zur Ausrüstung. Raouls Büro befand sich im zweiten Stock, doch sie war sich nicht sicher, ob er bereits dort war.
„ Eh bien … was sehen meine alten Augen?“
Sie lächelte. „ Bonjour , Jean-Luc.“
Der ehemalige Skiprofi führte seit vielen Jahren diese Abteilung. „Das ist ja Crystal, live und in Farbe! Mensch, ich freue mich, dich wiederzusehen.“
Jean-Luc gehörte fast zur Familie. In seiner Jugend war er ein bekannter Skifahrer gewesen, später hatte er Eric trainiert und ihm bis zuletzt immer wieder wichtige Tipps gegeben.
„Was führt dich zu uns?“
„Ich möchte ein paar Stunden Ski fahren und dafür eine Ausrüstung leihen.“
Er hob die Brauen. „Hast du deine Skiausrüstung
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