Liebesparadies im Alpenschnee
hatte.
Sie senkte die Lider, betrachtete seine breiten Schultern, die schmalen Hüften und langen Beine, schaute ihm wieder ins Gesicht und dachte einmal mehr, dass es keinen attraktiveren Mann gab als ihn.
In diesem Moment fuhr draußen Viviges Wagen vor, und ihre Töchter sprangen heraus. Warum war Raoul nach so kurzer Zeit wieder hier aufgetaucht? Hatte er sie nach dem schönen Vormittag auf der Piste rasch wiedersehen wollen? Der Gedanke raubte ihr fast den Atem.
„Alle wieder einsteigen“, rief Vivige aus dem heruntergelassenen Wagenfenster. „Auch ihr beiden, Albert und Philippe. Wir fahren zu grand-père ins Krankenhaus.“
Die vier Kinder folgten. Philippes Welt war wieder in Ordnung.
„Nach dem Abendbrot bringe ich deinen Sohn nach Hause. Wir sehen uns später“, rief sie Crystal zu und fuhr davon.
Raoul stützte sich auf das Dach ihres Leihwagens und beugte sich zu ihrem Fenster hinunter. Crystals Herz klopfte schneller.
„Ich bin hier, um dir deine Belohnung zu geben.“
„Welche Belohnung und wofür?“
Er machte ein geheimnisvolles Gesicht. „Du hast mir vorhin eine Blamage erspart und mich gewinnen lassen. Dafür.“
Sie lachte. „Du machst Scherze.“
„Nein, ich halte mein Versprechen. Komm, steig aus. Wir fahren mit meinem Auto ins ‚Chez Pierre‘.“
Das Lokal in Chamonix war berühmt für sein Käsefondue.
Offenbar hatte Raoul vorher telefonisch im „Chez Pierre“ reserviert, denn der Kellner führte sie nach oben zu einem Tisch am Fenster. Von hier hatten sie einen herrlichen Blick auf die Berge, über denen der letzte Glanz des Abendrots lag.
Doch das war noch nicht alles. An der Wand hingen zwei Plakate, darüber ein Banner „Vive les Broussards“. Das eine zeigte lebensgroß Eric auf Skiern kurz vor der Ziellinie, als er die Olympiade gewann. Das andere zeigte sie selbst, wie sie einen vereisten Hang hinunterschoss, mit Schneebrille über den Augen und glücklichem Lächeln im Gesicht, ebenfalls in Vorfreude auf einen Medaillensieg. Mit sich selbst auf der Höhe ihrer sportlichen Laufbahn konfrontiert zu werden, war zu viel.
Crystal brach in Tränen aus, und das in einem gut besetzten Lokal. Raoul legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie an sich, bis sie sich wieder gefasst hatte. Doch auch dann konnte sie noch nicht sprechen, weil sie von seiner Überraschung so gerührt war.
„Du musst nicht glauben, dass ich Pierre bestochen habe, damit er die Plakate aufhängt. Die sind hier seit Monaten“, flüsterte Raoul ihr zu.
Dabei berührten seine Lippen ihre Schläfen. Das Verlangen nach weiteren Zärtlichkeiten überwältigte sie. Sie lehnte sich an ihn.
„Ich fand, du solltest das gesehen haben, bevor du in die Staaten zurückkehrst. Hier gibt es Menschen, die dich nicht vergessen und dich verehren, ma belle .“
Sie hob den Kopf und küsste ihn auf das Kinn. „Danke, dass du an mich glaubst.“ Dann löste sie sich aus seiner Umarmung. Doch ihr Herz wollte nicht aufhören, wild zu klopfen.
Seine Gegenwart machte das Fondue-Essen zu einem Fest. Sie genoss den Ausblick auf die Berge, die Atmosphäre des Restaurants und den Geschmack des in Wein und Kirschwasser geschmolzenen Gruyère auf den Brotwürfeln und fühlte sich von Raoul unendlich verwöhnt.
Doch irgendwann kam es ihr so vor, als sei er nicht ganz bei der Sache.
„Was hast du, Raoul? Stimmt etwas nicht?“ In diesen romantischen Augenblicken sollte nichts zwischen ihnen stehen.
Er erwiderte ihren Blick. „War es ein Fehler, dich herzubringen?“
„Ein Fehler?“ Verständnislos schüttelte sie den Kopf.
Er schaute sie zweifelnd an. „Du bist so still. Deshalb frage ich mich …“
„Ja, was denn?“
„… ob es vielleicht zu viel für dich ist, vor diesem großen Foto von Eric zu essen.“
Nach allem, was sie heute mit ihm erlebt hatte, war sie ihm jetzt eine Erklärung schuldig.
„Ich glaube, du solltest mehr über Eric und mich wissen, Raoul.“
„Was? Hat er dich etwa betrogen?“, platzte es aus ihm heraus.
Gab es etwas, das er wusste und sie nicht?
„Nein …“, sagte sie.
„Entschuldige, aber er hatte einen gewissen Ruf, bevor ihr geheiratet habt.“
Sie lächelte. „Stimmt. Meine Mannschaftskameradinnen haben mich vor ihm gewarnt. Er sei ein Herzensbrecher, sagten alle. Aber das hat bekanntlich nichts genützt. Wir sind aufeinander geflogen, und eines Tages hat er mir einen Heiratsantrag gemacht.“
Seine Miene verdüsterte sich. „Aber was hat euer
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