Liebesparadies im Alpenschnee
Crystal?“ Was meinte er damit?
„ Oui, ma belle . Als wir dich kennenlernten, warst du eine glückliche unbeschwerte junge Frau, die alle mit ihrer Heiterkeit ansteckte. Dann hast du dich allmählich verändert und wurdest eine verantwortungsbewusste wunderbare Mutter. Philippe darf sich glücklich schätzen, dein Sohn zu sein.“
Ach, deshalb wollte er mit ihr allein fahren? Um ihr Komplimente zu machen, dass sie eine gute Mutter war? „Danke“, sagte sie und wusste nicht, ob sie enttäuscht oder erleichtert war.
„Von dir hat er die Fröhlichkeit geerbt. Er steckt mich an mit seiner unbekümmerten Art. Wenn er nicht da ist, vermisse ich ihn.“
Die Art, wie er über ihren Sohn sprach, rührte sie. Doch sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte und fühlte sich deshalb unwohl.
„Du hast neulich bei ‚Chez Pierre‘ offen mit mir gesprochen. Nun will ich auch ehrlich sein und dir sagen, was ich schon längst der ganzen Familie hätte erzählen sollen.“
Was konnte das sein? Wollte sie das wirklich wissen? Sie warf ihm einen unsicheren Blick zu und bemerkte, dass es um seinen Mund nervös zuckte. „Was denn?“
„Die Autopsie nach Suzannes Unfall ergab, dass sie schwanger war. Wir haben das beide nicht gewusst.“
Entsetzt schlug Crystal die Hand vor den Mund.
„Lange habe ich wegen der sinnlosen Tragödie gegrollt, aber am meisten haderte ich mit mir selbst. Weil ich nicht da war, als Suzanne mich brauchte. Ich habe sie nicht beschützen und nicht retten können. Ich, der erfahrene Bergsteiger!“
„Raoul …“, rief sie gequält und griff nach seiner Hand. Suzanne war schwanger gewesen … Crystal kannte sich aus mit Schuldgefühlen und fühlte mit ihm. „Kein Wunder, dass du dich so lange zurückgezogen hast und niemand sagen konnte, wie es dir geht.“
„Ich fürchte, ich habe noch Schlimmeres getan.“ Seine Augen blitzten. „Ich nahm Eric übel, wie er dich behandelte. Er hatte Frau und Kind und schien beides nicht zu würdigen. Jedenfalls nicht genug.“
Davon hatte Crystal all die Jahre nichts geahnt.
„Als er starb, machte ich mir Vorwürfe deshalb. Ich habe meinen Bruder angeklagt, ohne dass ich ein Recht dazu hatte.“
„Oh, wie ich dich verstehe.“
„Noch ärger“, stieß er hervor. „Es gab Zeiten, in denen ich auch mit dir heimlich gehadert habe.“
Sie schluckte. „Aber warum denn das?“
„Weil du einen Sohn hast, während ich alles verloren habe. Verstehst du nun, warum Philippe mir doppelt wertvoll ist?“
Sie nickte. Oh ja.
Und es erklärte auch, weshalb er so vorwurfsvoll klang, als er nach Breckenridge gekommen war. Auch, weshalb er bei seinen monatlichen Telefongesprächen mit ihr immer kurz angebunden gewesen war, aber lange mit Philippe gesprochen hatte. Sein verletzendes Verhalten und die Angst, wieder vor den Kopf gestoßen zu werden, hatten sie davon abgehalten, ihn anzurufen, wenn Philippe mit ihm sprechen wollte. Der eigentlich Leidtragende war ihr Sohn gewesen.
Philippe hatte seinen Vater verloren, Raoul nicht nur um seine Frau, sondern auch sein ungeborenes Kind getrauert. Vielleicht hatte ihr Sohn das gespürt. Jedenfalls hatten die beiden beieinander Trost gefunden und eine enge Bindung entwickelt.
Viele ihrer Fragen waren durch Raouls Geständnis geklärt.
„Es tut mir leid, dass ich so hart zu dir gewesen bin, Crystal.“ Er drückte ihre Hand.
„Ich beginne, besser zu verstehen“, sagte sie.
Er schaute ihr in die Augen. „Das weiß ich, und dafür bin ich dir dankbar.“
Dann beugte er sich über sie und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Einen harmlosen und flüchtigen Kuss der Dankbarkeit. Sie empfand ihn auch als Bitte um Entschuldigung und verzieh ihm den ersten Kuss, der sie voller Schmerz zurückgelassen hatte.
Ja, nun verstand sie alles.
Den Rest der Fahrt saßen sie schweigend nebeneinander, jeder in seine Gedanken versunken. Wenn sich ihre Blicke begegneten, lächelten sie. Crystal verspürte so etwas wie Frieden.
Als die Rundfahrt zu Ende ging, stand Viviges Wagen nicht mehr da.
„Warum haben sie nicht auf uns gewartet?“
Raoul lachte. „Weil die Party schon begonnen hat.“
„Davon weiß ich nichts.“
„Das ist Viviges und Bernards Überraschung für die Kinder: eine Pyjama-Party. Komm, sie warten zu Hause auf uns.“
Kurz darauf erreichten sie das geräumige Chalet von Vivige und Bernard, tranken mit ihnen und den Kindern heiße Schokolade und aßen Viviges berühmten
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