Liebesparadies im Alpenschnee
hatte schlafen sehen, versetzte sie in Aufruhr.
„Wenn du gegessen hast, müssen wir aufbrechen.“
„Dürfen Philippe und ich mit dir fahren. Onkel Raoul?“, rief Albert.
„Diesmal nicht“, sagte Bernard. „Sonst passen eure Großeltern nicht mehr in sein Auto.“
Crystal beschäftigte sich mit den Pfannkuchen. Sie schmeckten gut, aber ihr Magen fühlte sich wie zugeschnürt an.
„Das Kostüm steht dir gut, Crystal“, sagte Raoul. Seine blauen Augen schienen ihr noch mehr sagen zu wollen.
„Wir müssen jetzt aufbrechen, Kinder“, trieb Jules sie alle an. „In der Kirche sehen wir uns ja gleich wieder.“
8. KAPITEL
Der Platz vor Saint-Michel war voller Menschen, die die Mitternachtsmesse besuchen wollten. Die Broussards reihten sich ein in die Menge, die durch das Hauptportal strömte. Raoul betrat mit Philippe an der Hand als Erster das Kirchenschiff, dann Bernard mit seiner Familie, dahinter Crystal mit ihren Schwiegereltern.
Innen empfingen sie von einem Chor gesungene Weihnachtslieder, Duft und Lichterglanz der Kerzen. Raoul hatte rasch eine Bank gefunden, in der noch Platz für die ganze Familie war. Er setzte sich ans Ende der Reihe, Crystal an den Anfang. Nur einmal beugte sie sich vor, um nach Philippe zu sehen.
Er saß neben seinem Onkel. Sie hielten sich noch immer an den Händen, unterhielten sich leise miteinander und machten dabei feierliche Gesichter. Sie sahen so gut zusammen aus, dass ihr bei dem Anblick das Herz zerspringen wollte.
Während der Messe dachte Crystal immer wieder an ihren Sohn. All die Sorgen, die sie in den vergangenen Monaten um ihn ausgestanden hatte, legten sich schwer auf ihr Herz. Wieder und wieder stellte sie sich die bange Frage, wie es ihm erginge, wenn sie nach Colorado zurückkehrten.
Sie war so tief in ihre Gedanken versunken, dass sie gar nicht bemerkte, wie ihr Schwiegervater sie beobachtete. Sie erschrak, als er seine Hand auf ihren Unterarm legte. „Es ist Weihnachten, Crystal. Wenn du deine Sorgen nicht vergessen kannst, sag mir, wie ich dir helfen kann.“
„Oh, Jules …“ Sie drückte dankbar seine Hand. „Du hilfst mir, indem du einfach da bist.“
Sein Mitgefühl tat ihr gut. Sie wusste, dass er bemerkt hatte, wie schwer ihr ums Herz war. Wie Eric hatte er eine untrügliche Intuition, ihm konnte man nichts vormachen. Diese Gabe war ein unschätzbarer Vorteil im Gebirge, ob für einen Bergführer oder Skifahrer. Aber helfen konnte er ihr natürlich nicht.
Nach der Messe verließen sie schweigend die Kirche. Überall im Tal von Chamonix läuteten die Glocken das Fest ein. Und pünktlich hatte es begonnen zu schneien.
Raoul und Philippe warteten schon am Wagen auf sie.
„Es ist Weihnachten, Mommy“, rief er.
„Frohe Weihnachten, mein Schatz.“ Sie umarmten sich.
Danach stieß der Junge einen Freudenschrei aus. Seine Großeltern lachten.
Auch Crystal versuchte, ausgelassen sein, doch es fiel ihr schwer. Sie würde alles geben, um in dieser Stunde fröhlich zu sein, aber keine Macht der Welt konnte etwas daran ändern, dass Raoul für sie verboten war. Diese Einsicht hatte sie in der Kirche getroffen wie ein Hammerschlag. Wie konnte sie fröhlich sein, wenn sie ihre Gefühle verbergen musste? Jules durfte niemals erfahren, was sie für seinen erstgeborenen Sohn empfand. Es würde der ganzen Familie Broussard noch mehr Kummer bereiten, als sie ohnehin hatte.
Wieder zu Hause bei Arlette und Jules versammelten sich alle im Esszimmer. Die Mitte der Tafel schmückte eine wunderschöne geschnitzte Krippe, deren Figuren vor allem den Kindern helle Freude bereiteten. Das Festmahl begann mit Gänseleberpastete, die Arlette selbst hergestellt hatte. Danach gab es Lachs, mit Maronen garnierten Truthahn und verschiedene Pasteten, zum Dessert Zimteis und natürlich Bûche de Noël , eine mit Schokoladencreme gefüllte Biskuitrolle.
Jules hob sein Weinglas. „Lasst uns auf diese Nacht anstoßen, in der unsere Familie versammelt ist, und dankbar sein.“
Mit zitternder Hand hob Crystal ihr Glas. Sie wagte nicht, Raoul anzuschauen.
„Dürfen wir jetzt die Geschenke auspacken?“, rief Philippe.
Seine Großmutter legte den Arm um seine Schulter. „Gleich. Aber vorher wollen wir im Salon die Kerzen am Baum entzünden.“
„Oh, das hatte ich vergessen.“
Dann stürmten die Kinder aus dem Esszimmer. Bernard nutzte die Gelegenheit, um seine Frau zu küssen. Crystal schaute beiseite und eilte hinaus, um Philippes Geschenk zu holen. Als sie
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