Liebesschmarrn und Erdbeerblues: Roman (German Edition)
gehört mir.« Zumindest, bis ich ihn wieder zurück zu Claudia gebracht hatte. Und jetzt fiel mir auch ein, wo ich ihn verloren hatte. Im Wohnzimmer der Bayerls, als meine Tasche zu Boden gefallen war.
Ich nahm den kleinen Kerl und sah Karl dankbar an. Das erste Mal, dass ich ein freundschaftliches Gefühl ihm gegenüber empfand.
»Vielen Dank, Karl!« Das erste Mal, dass ich ihn mit seinem Vornamen ansprach.
»Bitte.« Und das erste Mal, dass sein Blick mit einem freundlichen Erstaunen auf mich gerichtet war.
»Und, Lene?«
»Ja?«
»Alles Gute zum Geburtstag!«
Mit Eisi in der Hosentasche ging ich zurück zu Papa und Julia und schenkte mir Kaffee ein.
»Was wollte er denn?«, fragte Papa.
»Nichts Wichtiges!« Ich hatte keine Lust, jetzt darüber zu reden.
»Sah aber sehr nett aus, der junge Mann«, fand Julia.
»Der Schein trügt oftmals«, bemerkte ich.
Auch wenn mir noch vor Kurzem der Gedanke an etwas zu essen den Magen umgedreht hatte, verspürte ich jetzt großen Appetit.
Ich genoss ein Stück Erdbeerkuchen mit Früchten aus unserem Gewächshaus und wollte mir gerade ein weiteres Stück einverleiben, da klingelte mein Handy. Es war Claudia.
»Sag mal, Lene, wie konntest du nur die Fotos veröffentlichen?«, fragte sie in vorwurfsvollem Ton und ohne mich zu begrüßen.
»Welche Fotos?« Ich wusste nicht, wovon sie redete.
»Jetzt tu nicht so. Die Fotos vom Maienfest auf deiner neuen Facebook-Seite.« Claudia klang ziemlich aufgelöst.
»Claudia, ich habe weder irgendwelche Fotos veröffentlicht noch habe ich eine neue Facebook-Seite.« Ich versuchte, ruhig mit ihr zu reden. Da lag wohl ein Irrtum vor.
Vater und Julia sahen mich fragend an.
»Warst du heute noch nicht online?«, fragte meine Freundin.
»Nein. Bis jetzt noch nicht.«
»Dann mach das mal.« Peng. Weg war sie. Was war da nur wieder los? Claudia war eher nicht bekannt dafür, dass sie sich grundlos aufregte. Langsam bekam ich ein ziemlich ungutes Gefühl in der Bauchgegend. Und das kam weder vom Alkohol noch vom Erdbeerkuchen.
Ich entschuldigte mich bei den beiden und eilte in mein Zimmer.
Schnell loggte ich mich auf meiner Facebook-Seite ein. Was sie nur hatte? Da war doch alles in Ordnung! Oder …? Kurz darauf blieb mir beinahe die Luft weg. Es gab tatsächlich einen zweiten Account mit meinem Namen, und auf dieser Seite waren zahlreiche Fotos vom Maienfest der Bayerls gepostet. Mit Beschreibungen vom Fest, die unter meinem Namen geschrieben waren. Unzählige Kommentare dazu gab es auch. Mir wurde mit einem Schlag übel.
Auf den meisten Fotos war ich zu sehen. Beim Tanzen, an der Bar, beim Anschneiden des Geburtstagskuchens, im Gespräch mit Alwin und Severin. Sogar hinter dem Goldregenbusch, als ich mir den Slip zurechtziehen wollte. Im Stillen dankte ich Alwin, der mich genau zur rechten Zeit davor gerettet hatte, dass mein Hinterteil jetzt für alle Welt zu sehen war. Und dann gab es noch eines – die Farbe meines Gesichtes wechselte schlagartig von schneeweiß zu radieschenrot und wieder zurück –, wie Michi und ich uns im Wohnzimmer küssten.
Ich nahm mein Handy und wählte mit zitternden Fingern Claudias Nummer.
»Das war ich nicht, Claudia. Wirklich nicht!«, sagte ich aufgeregt.
»Wer soll es denn sonst gewesen sein?«
»Keine Ahnung. Ich hab auch nicht mitbekommen, dass mich da die ganze Zeit jemand fotografiert hat.«
O Himmel! Alwin und Severin würden mich teeren und federn, wenn sie das sahen. Wie sollte ich denen klarmachen, dass ich damit absolut nichts zu tun hatte?
»Bei allem, was mir heilig ist: Ich hab keinen blassen Schimmer, wer das war.« Ich flehte sie förmlich an, mir zu glauben. Und Claudia glaubte mir schließlich auch.
»Ich komme zu dir.«
Kaum hatte sie aufgelegt, spielte mein Handy die Waka-Waka-Melodie. Michi! O Gott. Ich konnte mir genau vorstellen, was er wollte. Tapfer ignorierte ich den Anruf und starrte auf mein Notebook. Wer konnte das nur getan haben?
»Bestimmt war es dieser verdammte Huber«, sagte ich jetzt mindestens zum zehnten Mal. Claudia war gekommen, und wir beratschlagten in meinem Zimmer, wie ich mit dem Fotoschlamassel umgehen sollte. Mein Handy klingelte inzwischen fast ununterbrochen.
»Schalt es doch einfach aus, Lene!«, sagte Claudia irgendwann genervt. Sie konnte Waka Waka einfach nicht mehr hören. Und ich auch nicht.
Meine neue Facebook-Seite hatte inzwischen schon halb so viele Fans wie meine richtige. Eine beachtliche Leistung in so kurzer Zeit.
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