Liebesschmarrn und Erdbeerblues: Roman (German Edition)
noch einige ziemlich betrunkene Verletzte eingeliefert worden. Die Schwestern hatten alle Hände voll zu tun, nicht die Kontrolle zu verlieren, und spannten Doktor Fischer ein. Er versprach, gleich jemanden mit der Spritze zu schicken, und wünschte mir alles Gute. Als ich sah, wie er sich mutig vor einen muskelbepackten Schlägertypen mit Platzwunde am Kopf stellte, wusste ich, dass aus Doktor Fischer einmal ein wirklich guter Arzt werden würde.
Nur wenig später rauschte eine abgekämpft wirkende ältere Schwester mit einer aufgezogenen Spritze herein.
»Kleid hoch«, befahl sie in einem harschen Kommandoton, und ich folgte sofort. Sie schob mein Höschen etwas herunter und säuberte die Einstichstelle mit einem Desinfektionstuch. Gleich darauf jagte sie mir die Nadel in mein oberes Hinterteil. Aua.
»Legen Sie sich bitte auf die Liege. Sie werden merken, dass die Spritze sehr schnell wirkt. Ich hole Sie dann zur Koloskopie ab und bringe Ihnen ein Untersuchungshemd mit.«
Bevor ich sie fragen konnte, was eine Koloskopie war, verschwand sie auch schon nach draußen. Dabei schimpfte sie über Untersuchungstermine mitten in der Nacht, nur um durch Rundumauslastung Kosten einzusparen. Sämtliche Alarmglocken schrillten in meinem Kopf. Das Wort Koloskopie hatte ich schon mal in einem anderen Zusammenhang gehört. Und es hatte bestimmt nichts mit einer Daumenverletzung zu tun. Wozu sollte ich außerdem ein Untersuchungshemd benötigen? Meine Verletzung war doch versorgt.
Ich musste Doktor Fischer suchen. Oder besser noch Karl. Und mit ihm nach Hause gehen. Dringend. Ich nahm meine Handtasche und machte mich auf die Suche. Doch im Wartezimmer war er nicht. Lustig. Wo er sich nur versteckt hatte? Ich könnte ihn ja ausrufen lassen.
»Der grantige Karl Huber soll bitte zur netten Lene Koller in die Notaufnahme kommen!« Beim Gedanken an sein Gesicht, wenn er das hörte, musste ich kichern. Eine Schwester kam mir entgegen. »Haben Sie einen Mann gesehen. Dunkle Haare und so groß etwa?«, fragte ich sie und hielt meine Hand hoch über meinen Kopf.
»Hier sind ziemlich viele Männer, da fällt einer nicht auf«, antwortete sie und eilte geschäftig davon. Das stimmte allerdings. Einer der Schlägertypen saß mit einem notdürftigen Verband um den Kopf vor einem Behandlungszimmer und zwinkerte mir frech zu. Neben ihm ein Polizist, der mich ebenfalls anlächelte. Gott, was waren die Männer hier alle gut aufgelegt! Da könnte sich Karl mal eine dicke Scheibe von abschneiden!
Wo er nur steckte?
Doktor Fischer kam den Gang entlang. Ich winkte ihm fröhlich zu. Inzwischen fand ich gar nicht mehr, dass er wie ein grüner Jüngling aussah. Im Gegenteil. Er wurde von Minute zu Minute männlicher.
»Gut, dass Sie noch da sind, Frau Koller.« Bildete ich mir das ein, oder hatte er tatsächlich einen besorgten Ausdruck im Gesicht? Das brauchte er doch gar nicht. Er hatte seine Sache sehr gut gemacht. Sicher würde er es einmal zum Chefarzt in der Unfallchirurgie bringen.
»Ja. Ich bin noch daha«, flötete ich.
»Ich habe vorhin mitbekommen, dass Sie und Ihr Mann sich ziemlich heftig gestritten haben. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, wenn ich das frage …« Seine Stimme wurde leise. »Aber könnte es sein, dass es bei Ihnen häusliche Gewalt gibt und der Daumen deswegen …?« Er sprach nicht weiter, sondern sah mich nur besorgt an.
Moment. Ich und mein Mann? Er meinte doch nicht etwa Karl?
Ich lachte auf.
»Karl? Also nein, Herr Doktor Fischer, ich …« Er dachte tatsächlich, dass Karl mich misshandeln würde. Tat er ja auch, aber die Grausamkeiten waren eher seelischer Natur. Deswegen fuhr ich fort: »In gewisser Weise haben Sie schon recht, Herr Doktor …«
»Dachte ich es mir doch …« Doktor Fischer nickte besorgt. Das sah ein wenig aus wie bei einem dieser Wackeldackel, den Omi früher in ihrem Wohnzimmerregal stehen hatte. Wie von selbst wackelte mein Kopf mit ihm mit.
»Lene! Bist du jetzt fertig?« Karl kam auf uns zu. Wo er nur die ganze Zeit über war? Fischer trat ihm entgegen.
»Ich muss Sie dringend bitten, mit mir ins Büro zu kommen. Es geht um die Misshandlung an Ihrer Frau«, sagte er energisch.
Karl riss die Augen auf und starrte den Arzt ungläubig an.
Das sah schon wieder so lustig aus, dass ich losprustete.
»Was wollen Sie?«, fragte Karl völlig konsterniert. »Ich habe meine Frau nie im Leben misshandelt!«, stellte er sofort richtig. Bei den Worten Misshandlung war der Polizist
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