Liebesschmarrn und Erdbeerblues: Roman (German Edition)
begegnet bin, die sich ähnlich herablassend gegenüber den Bayern verhalten haben, und zwar nur wegen des Dialekts?«, erwiderte er.
»Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass du diese Leute vielleicht anziehst? Ich hab da nämlich bisher kaum negative Erfahrungen gemacht. Im Gegenteil.« Das hatte ich tatsächlich nicht. Die meisten Leute fanden meinen bayerischen Dialekt ganz reizend.
»Wahrscheinlich weil du total blauäugig durch die Gegend rennst und nur darauf bedacht bist, dich irgendwie mit diesem hausgemachten Liebesschmarrn in den Mittelpunkt zu stellen.«
Ich sprang auf.
»So denkst du also von mir?«
Er erhob sich ebenfalls.
»Ja. So denke ich von dir! Es ist dir doch völlig egal, was du mit deiner bescheuerten Theorie in die Welt setzt.«
»Was setz ich denn Schlimmes in die Welt?«
»Etwas, worüber sich alle Nichtbayern wieder lustig machen können.«
Der Mann machte mich rasend.
»Warum lässt du dich von Hilly scheiden?«, fragte ich plötzlich und unbedacht.
Mit dieser Frage brachte ich ihn aus dem Konzept.
»Was? Also wirklich! Das geht dich gar nichts an!«, fuhr er mich an.
»Sag es mir!« Ich ließ nicht locker.
»Na gut! Wenn du es unbedingt wissen willst. Du gibst ja doch keine Ruhe. Wir lieben uns nicht mehr, und sie will mit einem anderen Mann zusammen sein!«
So. Jetzt war es heraus. Sie hatte einen anderen. Sicher nicht sonderlich schön für Karl, und sofort schoss mir ein Gedanke durch den Kopf.
»Könnte es sein, dass du vielleicht deswegen so einen Grant auf Gott und die Welt hast, weil du mit der Trennung nicht fertigwirst?«, fragte ich in einem Tonfall, den man mit etwas gutem Willen fast schon verständnisvoll hätte nennen können.
»Ach, lass mich doch in Ruhe!«, kam es postwendend und ziemlich deutlich zurück.
»Und wenn ich dich in Ruhe lasse?«
In der ganzen Diskussion hatten wir nicht bemerkt, dass der Arzt inzwischen den Raum betreten hatte.
»Entschuldigung. Sind Sie Frau Koller?«, fragte er leise.
Karl und ich drehten uns gleichzeitig zu ihm um. Was? Dieser Jüngling mit den zerzausten hellblonden Haaren sollte der Arzt sein?
»Ja. Die bin ich.« Etwas skeptisch streckte ich ihm die Hand mit dem gesunden Daumen entgegen. Er nahm sie und drückte sie schwach und mit verschwitzten Fingern. Dabei versuchte er krampfhaft, nicht in meinen Ausschnitt zu schauen.
»Fischer«, stellte er sich vor, und als er sich vorbeugte, um auch Karl zu begrüßen, stieß er mit seiner Hüfte gegen einen Beistellwagen auf Rädern, der, mit allerlei Verbandsmaterial obenauf, gegen einen Schrank krachte.
»Entschuldigung.« Fahrig schob er den Wagen zurück und blätterte dann hektisch in einer Akte. Hoffentlich war der Mann wenigstens halb so kompetent, wie er schusslig wirkte.
Ich warf Karl einen nervösen Blick zu. Er war immer noch sichtlich wütend auf mich.
»Ich warte draußen«, sagte er nur und war gleich darauf verschwunden.
Der Arzt drehte sich nun zu mir um.
»Entschuldigung. Das ist mein erster Tag heute in dieser Klinik«, erklärte er mit einem schiefen Lächeln. Das waren bereits drei Entschuldigungen innerhalb von zwei Minuten. Kompetenz und Selbstbewusstsein sahen irgendwie anders aus. Aber ich wollte ihm eine faire Chance geben und hielt ihm mutig meinen Daumen hin.
»Uhh. Das sieht nicht schön aus. Gar nicht schön«, meinte er mitfühlend. »Was machen wir denn da?«
»Ich verlasse mich völlig darauf, dass Sie wissen, was da zu machen ist, Herr Doktor«, versuchte ich es mit einem gutwilligen Lächeln auf dem Gesicht.
Scheinbar erinnerte er sich ob meines Vertrauens in seine Fähigkeiten an seine medizinische Ausbildung, und schlagartig wurde er sicherer. Ohne nähen zu müssen und ohne auch nur einen Blick auf meinen Busen zu richten, versorgte er den Daumen und verband ihn. Etwas ungeschickt zwar, aber sehr vorsichtig. Er wollte mir sichtlich nicht wehtun, was ich sehr rührend fand. Langsam taute er auf, und wir unterhielten uns ganz nett über seine Arbeit. Er war jetzt ohne Pause seit zwölf Stunden im Einsatz, und mein Daumen war heute eine der harmlosesten Verletzungen, die er behandelt hatte. Und das alles an seinem ersten Tag!
Nachdem ich schon seit vielen Jahren keine Tetanusimpfung mehr bekommen hatte, schlug er sicherheitshalber eine Spritze vor. Er öffnete die Tür, um nach einer Schwester zu rufen. Doch auf dem Gang herrschte noch immer hektischer Betrieb. Nach einer Massenschlägerei vor einer Diskothek waren nun auch
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