Liebhaber der Finsternis
er sich keine Mühe mehr, sich vorsichtig durch die Räume zu bewegen. Gedanklich sagte er seinen Clanmitgliedern Bescheid, dann ging er ins nächste Zimmer. Als er das verlassene Bett inspizierte, erstarrte er.
Am Kopfende war ein Foto angebracht. Es war ein Bild von Turel, der in einem langen schmalen Käfig gefangen war. Das Gestell war so eng, dass er sich nicht darin bewegen konnte. Er war nackt, nicht mal sein Geschlecht war bedeckt. Corben glaubte, in seinen Augen einen Ausdruck von Schmerz zu erkennen. Er riss das Foto von der Wand und sah erst dann den Brief, der auf dem Bett platziert worden war. Die geschwungene Handschrift deutete auf einen weiblichen Verfasser hin, und als er die Unterschrift sah, wusste er, dass er sich nicht getäuscht hatte. Es war eine unbedeutende knappe Mitteilung, allein dafür verfasst, ihn und seinesgleichen zu verspotten.
Die Art, die euch scheinbar unterlegen ist, wird immer einen Weg finden, zu überleben. Ich habe meinen dunklen Engel gefunden und werde ihn niemals wieder gehen lassen. Collin
Corben wusste nicht, wie sie herausgefunden hatte, dass sie auf dem Weg hierher waren. Er hatte die Kampfansage einer Frau in der Hand. Das war ihm niemals zuvor untergekommen. Die Zeiten ändern sich, dachte er, die Frauen haben ihre eigenen Köpfe, aber das hier ging zu weit. Er würde Collin beibringen, dass man sich mit seinesgleichen lieber nicht anlegen sollte. Wenn er sie in die Finger bekam, würde er ihr zeigen, was seine Art mit der ihren macht und das würde das Letzte sein, was sie zu sehen bekam.
Doch dafür musste er sie erst einmal finden. Wenn es um seine Familie ging, kannte er keinen Spaß, und wenn er an Turel im Käfig dachte, verlängerten sich seine Fänge spontan und sein giftiger Speichel begann zu fließen.
Es dauerte nur Sekunden, dann waren die anderen an seiner Seite. Er reichte ihnen Foto und Nachricht und Knurren mischte sich mit wilden Flüchen. Corben war sicher, dass Collin keine verwertbaren Spuren zurückgelassen hatte. Trotzdem nahmen seine Gefährten das Haus auseinander und drehten jeden Strohhalm zweimal um. Vergeblich, sie fanden nichts. Es blieb ihnen nicht genug Zeit, um die Fahrt nach Hause zu bewältigen und sie beschlossen, in einem nahegelegenen Refugium den Tag zu verbringen.
Der Morgen graute bereits, als sie die Tür verschlossen und sich auf den wenigen Schlafgelegenheiten verteilten. Der Fußboden war zwar nicht bequem, aber in den vielen Jahrhunderten ihres Daseins hatten sie schon schlechter gelegen.
Leah war im Begriff, den Keller zu inspizieren, als sie glaubte, ein leises Wimmern zu vernehmen. Sie war nicht untätig gewesen. In der vergangenen Nacht hatte sie das Schloss mit allen Räumen durchstöbert und so die Bewohner näher kennengelernt. Die Gemächer der anderen Vampire waren so unterschiedlich wie deren Persönlichkeiten.
Als sie sich bei Morgengrauen ins Bett legte, fühlte sie sich das erste Mal seit langer Zeit zu Hause.
Die heutige Nacht nutzte sie, um den Keller und das Grundstück zu erforschen. Da war es wieder, jetzt lauter, ein eindeutiges Schluchzen. Leahs Neugierde gewann Oberhand und sie drückte die Klinke der schweren Eichentür hinunter, um herauszufinden, was sich dahinter verbarg. Kaum hatte sie die Tür geöffnet, verstummten die Laute. Hatte sie sich getäuscht? Doch dann übernahmen ihre Sinne augenblicklich die Führung. Sie roch Schweiß und Angst, die sich mit Verzweiflung mischte und Blut, das nun schneller pochend durch eine oder mehrere Personen floss. Ihre Augen schärften sich und sie begann zu zählen. Bei zwanzig stoppte sie und ging ein paar Schritte am Gitter entlang. Die Menschen saßen auf dem nackten Boden mit den Rücken an die hinterste Wand gelehnt. Der Geruch war widerwärtig. Es roch nach Exkrementen. Ihr wurde fast übel, so intensiv war der Gestank. Instinktiv hielt sie sich die Nase zu. Dann riss sie sich zusammen und sah genauer hin. Es waren hauptsächlich Männer jeden Alters und eine einzelne Frau. Sie schüttelte sich, wenn sie daran dachte, was die Arme unter diesen Verwahrlosten auszustehen hat. Sie sah sich nach dem Schlüssel um und fand ihn in der äußersten Ecke des Ganges an einem verrosteten Haken. Kurzentschlossen griff sie danach und öffnete das Verlies. Gebannt, ging es ihr durch den Kopf, als sie an den emotionslosen Personen vorbeischritt. Sie konnte nur in Ansätzen nachempfinden, wie es ihnen ergehen musste, denn sie hatte auch zwei Nächte in einer
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