Liebhaber der Finsternis
einen Weg nach außen bahnte und alles zu zerstören drohte, was sich ihm in den Weg stellte. Die eben noch leblosen Gliedmaßen bewegten sich wieder und die Kraft, die in seine Fäuste floss, entlud sich explosionsartig. Immer und immer wieder holte er aus. Am Ende mussten ihn vier seiner Kumpel festhalten, um ihn zu bändigen. Cian stand mit dem Rücken zur Wand. Sein Grinsen war vergangen, öliges Schwarz tropfte aus Wunden an Schläfe und Mund. Dann sackte er zusammen und wurde von den anderen fortgeschafft.
Doch selbst jetzt wollte sich keine Befriedigung einstellen.
Cian erwachte mit einem schmerzverzerrten Lächeln in seinem geschundenen Gesicht. Es würde einige Zeit dauern, bis die Spuren dieser Auseinandersetzung verheilt waren. Jeder Schlag hatte sich wie der eines Dampfhammers angefühlt. Jeden einzelnen hatte er willkommen geheißen. Er hatte seinen Bruder genau da, wo er sich vor nicht allzu langer Zeit selbst befunden hatte. Die Genugtuung konnte dessen Schuld zwar niemals sühnen, sie würde ihm aber die Unendlichkeit erträglicher machen. Für ihn war das Kapitel abgeschlossen. Er hatte seinen Bruder an seine Grenzen gebracht, fortan würde er keine Entscheidung mehr über sein Leben treffen.
Sam wischte ihm über die Stirn. Er leckte sich über den Mundwinkel und schmeckte das Blut, dann erhob er sich und ging aus der Tür.
„Willkommen in meiner Welt“, sagte er, bevor er die Stufen hinunterstieg und das Anwesen verließ.
Leah flog mit dem Privatjet des deutschen Clans. Die Nacht war sternenklar und der Mond zeichnete sein vertrautes Diamantenfunkeln auf die Gesichter der Anwesenden. Der Flug war zu kurz, um sich zu fangen, zu wenig Zeit, um ihren Gedanken freien Lauf zu lassen.
Sariel saß neben ihr und versuchte sie in ein Gespräch zu verwickeln. Er war das Oberhaupt des deutschen Clans. Er hatte gütige, graugrüne Augen, die durch die dunklen Schatten darunter zu leuchten schienen. Seine imposante Statur konnte ohne Weiteres mit Corbens mithalten. Er hatte volle Lippen, die ihm etwas Erotisches verliehen. Von seinem braunen Haar fielen ihm Strähnen ins Gesicht und machten ihn noch interessanter. Am meisten bewunderte sie sein ruhiges, beherrschtes Wesen. Er hätte sicher ein offenes Ohr für ihre Probleme, wenn sie sich durchringen könnte, sich ihm anzuvertrauen. Sariel musste instinktiv gespürt haben, wie es um sie bestellt war, denn er hatte keine Fragen gestellt, als sie ihn bat, mitgehen zu dürfen. Er nahm ihre Hand und nickte. Dann küsste er sie rechts und links auf die Wange, als wäre sie seine Tochter.
Maik saß gebannt auf einem der hinteren Sitze in der Maschine. Man hatte ihren Wunsch diesbezüglich respektiert. Sie wusste noch nicht, wie sie ihn auf die veränderte Situation vorbereiten sollte. Zu diesem Zeitpunkt war es einfacher, ihn in den Dämmerzustand zu versetzen. Später, wenn es ihr etwas besser ging, wollte sie sich intensiv mit ihm auseinandersetzen.
Hatte Jeqon die Nachricht gefunden und den anderen mitgeteilt? Wie hatten sie reagiert? Wie hatte es Corben aufgenommen? Sicherlich war er froh, sie nicht mehr sehen zu müssen. Schließlich hatte sie ihn auf ganzer Linie enttäuscht und gedemütigt. Sie war wie ein Dorn in seiner Hand. Wenn man ihn entfernte, würden die Schmerzen vergehen, seine Verletzung heilen und irgendwann könnte er sie vergessen. Nur ihre Wunde würde eitern und sie wie ein fauliges Geschwür vergiften.
Von hinten legten sich Hände auf ihre Schultern und es ging ihr augenblicklich besser. Sie atmete auf und hatte das Gefühl, von einer Last befreit zu sein. Doch als Beliar die Hände fortnahm, war das Gefühl wieder da.
„Ich kann es einfacher für dich machen. Ich kann den Schmerz für immer von dir nehmen. Du müsstest nicht mehr leiden“, flüsterte er ihr ins Ohr. Er verharrte vornübergebeugt, wartete auf ihre Antwort.
„Nein, ich habe es nicht anders verdient. Ich habe meine Liebe verraten, der Schmerz soll mich davor bewahren, es jemals wieder zu tun.“
„Wie du willst. Wenn es dir zu viel werden sollte, scheue dich nicht, mich anzusprechen“, erwiderte er und lehnte sich zurück in den Sitz.
Sollte es irgendwann zu viel für sie werden, gab es noch andere Möglichkeiten, dem ein Ende zu setzen. Sie war keine Unsterbliche, für sie gab es immer einen Ausweg.
Die Reise endete in Hamburg und sie fuhren die verbliebene Strecke in abgedunkelten Limousinen. Das Anwesen war nicht so groß wie das in England, hatte aber
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