Liebhaber der Finsternis
Typ von schlanker, hoher Statur. Er trug Jeans und ein weißes Hemd, das er über seinem deutlich hervortretenden Bizeps hochgekrempelt hatte. Er war braun, als wäre er kürzlich aus dem Urlaub gekommen. Sie erinnerte sich noch allzu gut an die Sonne auf ihrer empfindlichen Haut. An den Geruch, wenn man danach unter die Dusche stieg und wie sich die Hitze auf der Haut anfühlte, wenn man es mit dem Sonnenbad übertrieben hatte. Und sie erinnerte sich an glückliche Tage. Sie ertappte sich dabei, in diesen Träumen zu versinken. Das alles war so schrecklich lange her, dass es unwirklich wirkte und sie es schnell aus ihren Gedanken verbannte.
Sie musste sich heute Abend beweisen. Das einzig und allein war der Zweck des Ausflugs. Der deutsche Clan wollte sehen, wie viel sie von dem Gelernten umsetzen konnte.
Die eindeutigen Signale, die sie ihm zurücksendete, verfehlten nicht ihr Ziel. Es dauerte nicht lange, da kam er auf sie zu. Als er sie ansprach, entblößte er eine Reihe blendend weißer Zähnen. Um sie anzusprechen, kam er ihr sehr nah, denn der Lärm machte ein Gespräch fast unmöglich. Aber sie wollte nicht reden. Als sie seine herbe männliche Note roch und das Blut unter seiner Halsschlagader wie einen dunklen Fluss vorüberziehen sah, musste sie sich verdammt zusammenreißen, um nicht der Versuchung zu erliegen. Jetzt bloß keinen Fehler machen, rief sie sich zur Räson. Sie sah ihn an und antwortete ihm, während sie ihn bannte. Als sie ihn aufforderte, mit ihr in eine Nische zu gehen, folgte er ihr wie ein Schoßhund. Eines ihrer Beine schob sie ihm zwischen die muskulösen Oberschenkel, als sie ihn gegen die Wand drängte, damit man nicht zu viel vom wirklichen Geschehen mitbekam. Wenn man sie dennoch überraschte, sah es so aus, als würden sie wild miteinander knutschen. Sie legte ihren Mund an seine pochende Ader und biss zu. Das würzige Blut floss in ihren Organismus. Sofort war da dieses mächtige, lebendige Gefühl, welches sie gefangen nahm, doch noch während sie die Köstlichkeit aufnahm, übermannten sie Schuldgefühle.
Schnell versiegelte sie die Wunde und ließ ihn stehen. Sie musste an Corben denken. Wie konnte sie nur? Sie trank genüsslich an diesem Mann und ihr Geliebter war kurz davor, den Verstand zu verlieren!
Fluchtartig verließ sie die Disco.
Draußen atmete sie tief durch. Sie konnte nicht länger die Augen vor der Realität verschließen. Er gab sich auf und sie konnte den Gedanken keine Minute länger ertragen. Sie musste es auf einen Versuch ankommen lassen. Wenn er ihr nicht verzieh, würde sie endgültig die Konsequenzen ziehen.
Amy hatte sie eingeholt. „Was ist los mit dir? War das Blut nicht okay? Hatte er etwas eingeworfen? Sag doch etwas. Du siehst aus, als würdest du gleich ohnmächtig werden.“
„Nichts ist okay. Mir ist etwas bewusst geworden. Ich kann nicht so weitermachen und tun, als wäre nichts gewesen. Ich muss zurück. Ihm geht es nicht gut und ehrlich gesagt, mir auch nicht.“ Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
„Verdammt Leah, ich musste hinter dir aufräumen, sonst stände er dort immer noch zur Salzsäule erstarrt. Was ist bloß mit dir los? Corben ist ein Vampir, der geht nicht so schnell vor die Hunde. Vielleicht geht es ihm nicht gut, aber du brauchst die Zeit. Du überstürzt alles. Bring dich erst mal selbst auf die Reihe, bevor du Dummheiten machst, die du später bitter bereust. Wenn du mich fragst, ist Abstand genau das Richtige für dich.“
„Ich frag dich aber nicht“, fauchte sie Amy an. „Es tut mir leid, ich habe das nicht so gemeint. Ich bin nur schrecklich aufgewühlt.“
„Wenn du dich zusammennimmst und keine weitere Szene machst, verrate ich dir etwas. Ach, was soll’s. Es dauert nicht mehr lange, bis sie uns einen Gegenbesuch abstatten. Die Zusage ist bereits erfolgt, Ende kommender Woche werden sie eintreffen. Wir wollen uns mit dieser Einladung bei ihnen bedanken. Ohne ihren Tipp hätten wir die vermissten Clanmitglieder nicht so schnell wiedergefunden. Wenn sie weiter so genesen, werden sie sich persönlich bei Corben und den anderen bedanken können. Du siehst, es wird nicht mehr lange dauern und er wird Gelegenheit haben, mit dir zu sprechen. Benutze die verbleibende Zeit, um dich darauf vorzubereiten.“
Zweifelnd sah Leah sie an. Vielleicht hatte sie recht. Außerdem war morgen Vollmond, wie würde es wirken, wenn sie gleich wieder vor seinen Augen mit einem anderen die Nacht verbrachte? Er
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