Liebling der Götter
hatte, stieß abermals der Adler zu ihm herab.
»Alles klar?« fragte Apollo.
»Bestens«, antwortete der Adler. Er war ausgesandt worden, um zu überprüfen, ob die Sendung die gewünschte Wirkung erzielt hatte, und war gerade in siebenunddreißig Sekunden um die Welt geflogen. »Das hat hervorragend geklappt.«
»Bist du dir sicher?«
»Keinerlei Schwierigkeiten«, bestätigte der Adler. »Alle Welt stimmt Loblieder an und opfert, als wäre es ab morgen verboten. Wenn ich in diesem Moment ein weißer Widder wäre, hätte ich wirklich eine Heidenangst.«
»Prima«, freute sich Apollo. »Sag mal, mußt du das unbedingt machen?«
»Was?«
»Deinen Schnabel an meinem Spoiler wetzen. Ich habe den Wagen gerade erst neu lackieren lassen und keine …«
»Entschuldige«, sagte der Adler. »Wäre es hilfreich, wenn ich menschliche Gestalt annähme?«
Apollo erinnerte sich, den Adler vor nicht langer Zeit in menschlicher Gestalt gesehen zu haben, und antwortete: »O ja, sehr sogar.«
Der Adler verwandelte sich in Mary und setzte sich auf den Beifahrersitz des Streitwagens. Sie verstellte den Rückspiegel und sah sich prüfend darin an.
»Das Ärgerliche am Adlerdasein sind die furchtbaren Folgen für die Haut«, erklärte sie schließlich. »Sie trocknet aus. Um diese Falten wieder loszuwerden, werde ich drei Tage unter einer Schlammpackung verbringen müssen.«
»Was passiert als nächstes?« fragte Apollo.
Mary sah ihn lächelnd an und kicherte: »Das weiß ich doch nicht, oder? Für wen hältst du mich, für Gott den Allmächtigen?«
Apollo runzelte gereizt die Stirn. »Als du mir vorhin im Studio gesagt hast, was zu tun ist, scheinst du ziemlich gut Bescheid gewußt zu haben«, monierte er. »Falls das ein fauler Witz sein soll, dann …«
Mary versicherte ihm, daß dies bestimmt nicht der Fall sei, und fuhr fort: »Wenn ich einen Witz machen würde, wäre der alles andere als faul. Nein, natürlich weiß ich, was als nächstes passieren soll, allerdings übernehme ich keine Gewähr dafür.«
»Was passiert also als nächstes?«
»Jupiter müßte inzwischen von der Sonne aufgebrochen sein, um die Erde zu vernichten«, berichtete Mary. »Auf halbem Weg wird er von einer Woge des Glaubens an ein dem Wesen nach gewaltloses, ökologisch bewußtes Ebenbild seiner selbst empfangen werden, das nicht einmal einen Löwenzahn ausrisse, solange es eine Möglichkeit gäbe, das zu vermeiden. Dieser ihm entgegenschlagende Glaube wird ihm derart in die Knochen fahren, daß er gezwungen ist, das gesamte Vorhaben abzubrechen.«
»Prima.«
»Nun ja, nur bis zu einem gewissen Punkt«, schränkte Mary ein, wobei sie sich die Nase puderte. »Das Problem ist, daß ihm außer dem Willen, die Erde zu zerstören, auch die Unmöglichkeit, diesen Willen durchzusetzen, sehr deutlich bewußt sein wird, und darüber könnte er böse werden. Und nach dem, was ich noch aus dem College von den Glaubensmechanismen weiß, kann ihn nichts davon abhalten, seinen Zorn in großem Stil an irgend jemandem auszulassen, solange dieser Jemand nicht zufällig ein Planet ist. An deiner Stelle«, fügte sie hinzu, während sie die Puderdose mit einem Knacken schloß, »wäre ich ausgesprochen nervös.«
»Ich?«
»Ja, du«, bekräftigte Mary. »Ich will dich ja nicht beunruhigen, aber du trägst die unmittelbare Verantwortung dafür, ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen. Eigentlich müßte er jetzt jeden Moment hier auftauchen.«
Apollo blickte in den Himmel; aus dem Osten zog eine dicke schwarze Wolkenwand heran, eine zweite näherte sich aus westlicher Richtung. Obwohl er es nicht wissen konnte, gab es genaugenommen noch ein drittes Kontingent, das aus nördlicher Richtung zu kommen versuchte, aber von einem Gegenströmungssystem über Finnland aufgehalten wurde.
»Was kann ich dagegen tun?« fragte er.
»Versuch einfach, es mit Würde durchzustehen«, riet ihm Mary. »Also, war nett mit dir. Tschau!«
»Halt, wart mal!« rief Apollo und hielt sie am Handgelenk fest.
»Oh, laß uns nicht wieder damit anfangen!«
Apollo errötete heftig. »Das hatte ich gar nicht vor«, widersprach er. »Ich wollte sagen, du hast mich da hineingezogen, jetzt holst du mich auch wieder …«
»Damit habe ich nichts zu tun«, wehrte Mary ab. »Denk dran, Götter haben einen freien Willen. Und jetzt muß ich wirklich los.«
»Wohin denn?«
»Mich mit den anderen treffen. Mit Prometheus, Gelos und dem Kind von den Derrys. Wenn du also kurz mal
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