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Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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aufhören würdest, mir das Handgelenk zu quetschen, könnte ich mich auf den Weg machen.«
    »Laß mich dich hinfahren«, bat Apollo.
    Eigentlich, sagte eine leise Stimme in Marys Hinterkopf, in einem Teil des Gehirns, den sie in der letzten Zeit lediglich mit der Steuerung einiger fast verkümmerter Federn am linken Flügel beschäftigt hatte, sieht er in gewisser Weise ganz gut aus. Für einen Gott hat er jedenfalls ein hübsches Lächeln.
    »In Ordnung. Also los, ab in Richtung Kaukasus.«
    »Wieso?«
    »Weil da die anderen sind. Los, Beeilung!«
    »Sind wir dort sicher?«
    Über diese Frage dachte Mary kurz nach. »Ich finde immer, ›sicher‹ ist so ein furchtbar subjektiver Begriff. Was meinst du?«
    »Welchen Begriff würdest du denn wählen?«
    »Günstig gelegen.«
    »Oh.« Apollo hatte die Hand schon am Zündschlüssel, zögerte aber noch. Die Zündanlage war einer der kniffligsten Teile des gesamten Umbaus gewesen, den Vulcanus schließlich gemeistert hatte, indem der Zündverteiler mit einer Elektrode verkabelt worden war, die er am Rumpf des Leitpferdes angebracht hatte. Drehte man den Schlüssel, erhielt das Pferd einen starken elektrischen Schlag. Als göttliches Pferd sollte es daraus ersehen, daß der Fahrer irgendwohin gebracht zu werden wünschte; doch selbst göttliche Pferde verkraften von derlei Dingen nur ein gewisses Maß und fangen irgendwann an, mit den Hinterläufen auszuschlagen. Zum Glück für seinen Seelenfrieden war Apollo technisch nicht bewandert und hatte sich bisher keine Gedanken darüber gemacht, wie die Zündung funktionierte.
    »Günstig gelegen? Wofür?« wollte er wissen.
    »Für einen guten Blick auf die Schlacht natürlich«, entgegnete Mary.
    Apollo war der festen Überzeugung, den besten Blick auf eine Schlacht, in der Jupiter der gegnerischen beziehungsweise der weniger freundlich gesonnenen Seite angehörte, habe man vom anderen Ende des Raums und, falls möglich, auch noch der Zeit, und das sagte er auch. Mary antwortete darauf, indem sie einen Gegenstand aus der Handtasche zog, der sich später als kleiner Opferdolch herausstellte, und ihn Apollo, durchaus nicht unfreundlich, ins Kreuz drückte.
    »Ich entführe diesen Wagen in den Kaukasus«, erklärte sie. »Du weißt, daß du unsterblich bist, aber vielleicht bin ich nicht davon überzeugt. Können wir jetzt fahren?«
    »Ich …« Apollo dachte kurz nach, dann drehte er den Zündschlüssel. »Weißt du auch genau, was du da tust?« fragte er.
    »Ja«, antwortete Mary mit Überzeugung. Da sie einen Hang zur Ehrlichkeit hatte, hielt sie es nur für gut, daß er sie nicht gefragt hatte, ob das, was sie tat, auch vernünftig war.
     
    Einer der größten Nachteile an einer Fahrt zum Schlachtfeld im Herzen einer pechschwarzen Gewitterwolke besteht darin, daß man wirklich sehr naß wird. Trägt man einen reichen Vorrat an Blitzen bei sich, besteht zudem die Gefahr eines ernstzunehmenden Kurzschlusses. Aus diesem Grund war Jupiter auf der Reise von der Sonne zur Erde nicht gerade in umgänglichster Stimmung. Nach allgemeiner Ansicht war der Hauptmann der Geisterkrieger noch recht glimpflich davongekommen, zumal er den Gott aller Götter während einer leichten Zwischenmahlzeit mit der Anfrage nach möglichen Überstundenvergütungen für die Streitkräfte der Dunkelheit gestört hatte (und das bei hellichtem Tag!). Jedenfalls summte der Exhauptmann jetzt in Gestalt einer kleinen Biene traurig hinter seinen Exheerscharen her.
    Als befehlshabende Offizierin für die Zerstörung im nordwestlichen Sektor saß Minerva in ihrer mobilen, von einem geflügelten Drachen angetriebenen Kommandozentrale und sah einen unordentlichen Stapel Karten sowie einen von Eselsohren durchsetzten Baedeker-Reiseführer durch, als Mars zaghaft an die Tür klopfte und eintrat.
    »Na, Marsi, was ist denn jetzt schon wieder?« Minerva nahm die Brille ab und blickte ihn mürrisch an. Versagern gegenüber neigte sie zur Ungeduld, und aufgrund des Umstands, daß man Mars nach dem letzten Debakel zeitweilig von seinen Kriegsaufgaben suspendiert und ihm die Leitung der Betreuung und Unterhaltung der Truppe übertragen hatte, war ihre Bereitschaft, kostbare Zeit mit ihm zu vergeuden, noch geringer als sonst – als sie schon nicht sonderlich groß gewesen war. »Falls ich beim Lagerkonzert singen soll, tut’s mir leid, aber ich bin viel zu beschäftigt.«
    Mars, der Minerva schon hatte singen hören, versicherte ihr, das verstehe er gut. »Nein«, fuhr

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