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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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vermutlich ein Trick, um sie überhaupt interessant und attraktiv zu finden. Nur so kann sie sich heftig verlieben. Und ich behaupte, sie ist geradezu süchtig danach, verliebt zu sein. Sie staffiert ihre Favoriten bei Bedarf auch neu aus, damit sie optisch ihren Vorstellungen entsprechen. Die Typen finden ihre Wertschätzung am Anfang großartig, brechen dann jedoch meist recht schnell zusammen, weil sie merkten, dass sie ihre hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllen können.
    Sibylle hat für diese Haltung nur ein missbilligendes Kopfschütteln übrig. »Du darfst sie nicht pausenlos anbeten und schon gar nichts in sie investieren! Du musst sie schlecht behandeln! Je schlechter du sie behandelst, desto großzügiger werden sie es dir danken! Je netter du zu ihnen bist, desto mehr trampeln sie auf dir rum.«
    Das ist wohl eins ihrer zahlreichen Geheimnisse: Männern gegenüber ist Sibylle gletscherkalt. Sie bezeichnet sie als Wolken: Schäfchenwolken, Gewitterwolken, Schönwetterwolken. »Alles willkommen zum richtigen Zeitpunkt, aber heiter wird’s erst, wenn sie sich verziehen!« Solchen Aussagen folgt dann ein maliziöses Lächeln.
    Meine kritische Selbsteinschätzung lässt mich erkennen, dass ich nicht über den Sex-Appeal der beiden verfüge. Ich bin eher der kameradschaftliche Typ. Zu mir kommen die Männer, wenn sie sich Trost und Rat versprechen. Drei Verlassene durfte ich schon durch die schwere Zeit ihrer Scheidung begleiten. Alle waren mit oberflächlichen, nörglerischen, anspruchsvollen Zicken verheiratet und wähnten sich bei mir im Paradies. So lange, bis die Scheidung einigermaßen verdaut war. Kaum hatten sie sich erholt, gabelte einer wie der andere wieder eine Frau auf, die exakt dieselben Wesenszüge trug wie die vorhergegangene. Ich bekam zu hören, ohne mich hätten sie es nie geschafft, wieder auf die Füße zu kommen und konnte zusehen, dass ich nicht aus den Latschen kippte.
    »Du bist auch schön blöd«, diagnostizierte Sibylle jeweils. »Wenn du einen Mann in seinem Unglück triffst und ihm beistehst, wird er dich mit dieser miesen Phase seines Lebens identifizieren und schnellstens verdrängen, wenn es ihm besser geht. Den verlassenen Männern, die ich getroffen habe, malte ich in schillernden Bildern aus, was sie in meiner Nähe erwartet, sobald sie frei sind. Das hat sie inspiriert. Scharf gemacht! Während sie ihre Scheidung durchzogen, hatten sie ständig diese Bilder vor Augen, ihr großes, erstrebenswertes Ziel. Und ich, ich habe mich für meinen Job im Ausland aufgehalten oder in einer Beautyfarm regeneriert und war für sie nicht zu erreichen. Und dann kam ich diesen gerupften, übernächtigten Gestalten entgegen, die sich trotz ihrer Erschöpfung befreit und für neue Herausforderungen bereit fühlten: Schön, entspannt und wohl gelaunt. Was glaubst du, wie die sich ins Zeug gelegt haben, um es mir recht zu machen!«
    Eva und ich hängen ja eher einem feministisch-emanzipatorisch-paritätischen Partnerschaftsmodell an. Aber wenn wir mit Sibylles Maximen konfrontiert werden, gerät unser Weltbild regelmäßig ins Wanken. Gut, in Zeiten, da wir von Herzen und mit Hingabe liebten, blickten wir immer mitleidig auf Sibylle herab, hielten sie für eine gefühlskalte, bemitleidenswerte Kreatur. Aber wenn wir dann wieder mal einen Schuss vor den Bug bekommen hatten und ernüchtert auf den Scherbenhaufen unserer Emotionen, Illusionen und Investitionen blickten und uns klar wurde, dass neben unserem Idealismus fast auch unser Verstand flöten gegangen wäre, fassten wir uns regelmäßig an den Kopf.
    »Männer sind so leicht zu ersetzen«, doziert Sibylle unermüdlich. »Ärgert mich einer«, hier führte sie jeweils eine Geste durch, als entsorge sie mit spitzen Fingern einen dreckigen Lappen, »dann ist halt der Nächste dran. Meinen Leib können sie haben – leihweise –, aber meine Seele: nie im Leben!«
    Also bitte, an einem Mangel an wertvollen Ratschlägen kann’s nicht liegen, wenn wir in puncto Männer auf die Nase fallen. Eva hätte sich nur vertrauensvoll an Sibylle wenden müssen und ihre Tipps brav befolgen, als Magnus in ihr Leben trat. Dann wäre die Geschichte nicht derart eskaliert …

     
    Eva trägt den Hauptgang auf und wir begeben uns zum Esstisch. Der Weißwein steht im Weinkühler, das Mineralwasser in einer Glaskaraffe. In einer feuerfesten Keramikform liegt ein köstlich duftender Dorsch, umgeben von einer würzig riechenden Ratatouille. Daneben steht

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