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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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eine Schale mit einer Mischung aus wildem und Vollreis.
    »Da hast du ja stundenlang geschuftet!«, ruft Sibylle voll echter Bewunderung. Sie kocht nämlich nie. Eva sagt, Sibylle frisst daheim überwiegend Dreck. Das ist sicher übertrieben, aber Eva ist eben eine Gesundheitsfanatikerin. Möglichst nur unbehandelte Nahrungsmittel, keine Zusätze, Stabilisatoren, Geschmacksverstärker, Konservierungsmittel. Nahrungszubereitungen bezeichnet sie als Plastikfutter und macht einen weiten Bogen darum. Ich esse natürlich auch lieber so, wie Eva kocht, aber ich bin gelegentlich schon zu Kompromissen bereit. Weil’s schnell gehen muss oder ich einfach zu faul bin.
    Sibylles Kühlschränke sind voller Plastikfutter. Light lautet das Zauberwort, das all die Joghurts, Cremes, Flans und Mousses ziert. Ohne Fett, dafür mit viel Süßstoff und künstlichen Aromen. Mich reizt das zwar auch nicht, aber giftig scheint’s jedenfalls nicht zu sein, denn Sibylle sieht blendend aus.
    Nun langt sie allerdings kräftig zu, obwohl Evas Essen sicher nicht allzu light ist. Aber sie wird nach dem Essen eine jener Wunderpillen zu sich nehmen, die angeblich die Fettverdauung verhindern. Ich habe mal den Beipackzettel gelesen. Da hat es mich regelrecht gegruselt!
    Eva wird morgen früh eine halbe Stunde länger als sonst durch den Englischen Garten joggen. Obwohl sie nicht viel Aufhebens drum macht, achtet sie sehr auf Figur. Früher hatte sie einiges mehr drauf, was ihr aber auch gut stand. Wir sind beide nicht so dünn wie Sibylle, die nur obenrum Umfang aufweist, aber ich finde, Eva hat eine klasse Figur und mit meiner bin ich ebenfalls ganz zufrieden. Auch ohne Fee.
    »Auf die Gefahr hin, dass ich kugelrund werde – ja, du kannst mir noch was geben«, erwidere ich, als Eva fragt. Auch Sibylle lässt sich noch einmal den Teller vollladen. Im Stillen stelle ich fest: Nun sind wir schon fast zwei Stunden zusammen und noch immer ist kein Wort über Diät gefallen.
    Stattdessen kommen wir endlich auf den Anlass der kleinen Feier zu sprechen: Wollis chaotisches Liebesleben. Auch Sibylle ist begeistert von Davids Entwürfen zu den Texten, die Eva vor ihr ausbreitet. Als die dann aber ihr schlechtes Gewissen gegenüber Leonardo zur Sprache bringt, stößt sie auf entschiedenen Widerspruch.
    »Unsinn! Wenn er schon seinen ganzen Müll bei dir ablädt, hast du auch das Recht, den zu recyceln. Das ist psycho-ökologisch äußerst sinnvoll«, findet Sibylle, die ja grundsätzlich dagegen ist, auf die Gefühle von Männern Rücksicht zu nehmen. »Wenn er dich zum Bequatschen seiner chaotischen Episoden missbraucht, fragt er ja auch nicht, in welcher Verfassung er dich antrifft oder in welche Stimmung er dich damit versetzt. Er karrt seinen riesigen Mistwagen an und kippt dir seine ganze Kacke vor die Tür. Und ihm ist es piepegal, ob für dich das Timing stimmt oder nicht. Rücksichtslos und egoistisch wie alle Männer. Da machen die ach so lieben Schwulen auch keine Ausnahme.«
    Eva sieht sich natürlich bemüßigt, ihren Busenfreund zu verteidigen. Sie spricht vom Wesen der Freundschaft, von den Pflichten, die sie uns auferlegt und von den Erziehungsfehlern, die aus uns allen andere Menschen machen als die, die wir im Idealfall sein könnten.
    Das ist ein Thema, mit dem sich regelmäßig Einmütigkeit erzielen lässt. Das Dessert, das Eva gleich darauf auftischt, wirkt in dieser Hinsicht auch förderlich.
    Unsere Gesprächsrunde entartet mal wieder zum feuchten Hobby-Therapie-Kränzchen.
    »Es ist ja schon bemerkenswert, wie schlecht wir vorbereitet werden auf das, worauf es ankommt«, seufze ich. »Da sind wir schon mal im Regelfall so ausgestattet, dass Weibchen sich nach Männchen sehnen und umgekehrt. Und günstigerweise gibt es auch noch von beiden etwa gleich viel, was doch eigentlich toll ist. Könnte ja auch zwanzig zu achtzig sein oder so. Aber nein, schön ausgeglichen. Fast eins zu eins. Doch mit der Kompatibilität scheint es sich ganz ähnlich zu verhalten wie mit den Zahlen der Arbeitslosen und offenen Stellen. Es passt halt nur in den seltensten Fällen.«
    »Ja, und unseren Müttern, Großmüttern, Urgroßmüttern und weiteren Ahninnen ist auch nichts Besseres eingefallen, als ihren Töchtern den Bazillus einzuimpfen, sie seinen nur für den Einen bestimmt: den Passenden, Wunderbaren, der da kommen wird, um sie zu beschützen, zu versorgen und bis ans Ende ihrer Tage glücklich zu machen«, giftet Sibylle. »Und manche Frauen

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