Liebling, Ich Kann Auch Anders
hindurch geblickt und sich dann regungslos seinem Gesprächspartner zugewandt hatte.
Francis hatte nicht nur aufmerksam zugehört, sondern sie schien auch sehr berührt, denn sie legte plötzlich den Arm um Eva. »Ich finde es zwar blöd, was du getan hast, aber ich glaube, ich kann damit umgehen. Vorhin, da draußen, da hab ich dich gehasst, weil ich mich von dir verraten und betrogen fühlte. Aber du kanntest mich damals ja nicht. Wenn es sich so abgespielt hat, wie du sagst – und das glaube ich dir – dann bist nicht du die Miese, sondern Magnus ist der Lump, der uns beide verraten und betrogen hat!«
Eva rutschte ein ganzer Geröllhaufen vom Herzen. Sie hatte mit einigem gerechnet und hätte vieles verstehen können, aber Francis reagierte auf die beste vorstellbare Weise: mit Verständnis und erstaunlicher Objektivität.
»Ein Gutes hat die Geschichte ja trotz allem: Ohne dieses Kuddelmuddel hätten wir uns nie kennengelernt.«
»Francis, du verdienst einen Friedenspreis!«
»Oh, bitte urteile nicht voreilig! Was dich anbelangt, sehe ich nun einigermaßen klar. Aber wie ich mit Magnus verfahren soll, weiß ich noch nicht im Detail. Auf jeden Fall werde ich ihm eine nachhaltige Lehre erteilen. Das muss sein! Und ich denke, es ist in unser beider Interesse, weshalb wir bei diesem Unternehmen ganz entschieden und energisch kooperieren werden.«
»Was hast du vor?«
»Na was wohl? Du bist zweimal mit ihm übers Internet in Kontakt getreten. Jetzt werde ich das mal versuchen. Und deine erste Aufgabe besteht darin, mir eine Anzeige zu formulieren, auf die er garantiert anspringt.«
26
›Natürlich bist du nicht ganz perfekt, aber du verfügst doch über eine Menge Qualitäten: Du bist humorvoll, gebildet, erfolgreich, attraktiv und charmant. Und obwohl die zwanzig schon eine Weile hinter dir liegen, hast du dir doch eine spielerische Leichtigkeit bewahrt und genießt das Leben. Bei mir sieht’s ähnlich aus, und deshalb freue ich mich auf deine Zuschrift.‹
Am Morgen, kurz nach zehn, eine halbe Stunde nachdem Magnus das Haus verlassen hatte, platzierten die beiden Frauen diese Anzeige unter dem Namen Giulia C. im LakeCafé. Zwanzig Minuten später ging bereits die erste Antwort ein.
›Hi! Hallo! Mein Name ist Marcus, bin zweiundzwanzig Jahre alt und studiere Wirtschaftschinesisch an der FH. Ich bin 1,93m groß, sportlich, hab Sinn für Humor, bin für jeden Spaß zu haben …‹
Bis zur Mittagsstunde waren es bereits elf, alle in ähnlichem Stil, die vermuten ließen, dass die Absender – völlig unabhängig vom Inhalt der Anzeige – grundsätzlich jede Chance wahrnahmen, mit einer Frau in Kontakt zu treten.
Kurz vor zwei Uhr traf dann die einzig relevante Reaktion ein:
›Anbetungswürdige Giulia, danke für den Lichtblick, den dein Text im Annoncen-Dschungel darstellt. Wunderbar! Mach weiter so! Dein Bewunderer Marcel P.‹
»Volltreffer! Das ist er. Die vielfach bewährte Mail-Adresse«, verkündete Eva, ziemlich erstaunt darüber, dass Magnus es trotz seiner Netzwilderei nicht für nötig hielt, von Zeit zu Zeit das Pseudonym zu ändern.
Francis war ziemlich schockiert. Noch wollte sie es gar nicht glauben, erwog sogar, es könnte sich um einen anderen handeln, der sich zufällig mit demselben Namen schmückte. Aber Eva zog nur die Brauen hoch.
»Anbetungswürdige Giulia! – Das ist doch nicht Magnus’ Art, eine fremde Frau anzusprechen!«, protestierte Francis.
»Das ist nur der Anfang. Du wirst von nun an jede Menge Überraschungen erleben, wenn du ihm antwortest.«
»Mein Gott, Eva, ich bin absolut durcheinander!« Francis ließ sich in den bequemen Sessel neben dem Schreibtisch fallen und dachte erst eine Weile nach. Schließlich stand sie auf und ging durch den Raum.
»Unglaublich! Auf dieser seltsamen virtuellen Plattform eröffnet sich mir völlig unerwartet die Gelegenheit, mich mit meinem Ehemann einmal länger als die paar Minuten zu unterhalten, die für den geregelten Ablauf eines gemeinsamen Haushalts notwendig sind. Und vor allem über andere Themen! Dabei bekomme ich auch noch die grandiose Möglichkeit, seine intimsten Gedanken und geheimsten Wünsche kennenzulernen. Das ist fast gespenstisch.«
Francis fieberte geradezu und war fasziniert vom Spektrum all der Aussichten, die sich ihr mit einem Mal erschlossen. Aber als sie dann die Bibliothek ver- und den Zauber der Möglichkeiten des Internets hinter sich ließen, war sie doch ziemlich
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