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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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auch. Der Hund (ob er mich wiedererkannte?), verhielt sich jedenfalls auch sehr liebenswürdig.

     
    Womit wir im Hinblick auf unser Projekt große Schwierigkeiten hatten, das waren die unterschiedlichen Stimmen von Francis und Sibylle. Mit dem besten Willen und noch so bemühten Monica-Bellucci-Parodien – die beiden waren einfach nicht auf einen Nenner zu bringen. Obwohl sie beide perfekt den italienischen Akzent drauf hatten, waren ihre Stimmlagen einfach zu verschieden. Francis hatte eine klare hohe, doch eher leise Stimme, Sibylle eine tiefe, rauchige, raumgreifende. Und es war ja nicht so, dass sie es mit einem unmusikalischen Menschen zu tun hatte, dem sie ein Fa für ein Ti vormachen konnten.
    »Sprichst du noch mal mit ihm vor eurem Rendezvous?«, erkundigte sich Sibylle.
    »Ja, er ruft morgen um zehn an. Wegen der letzten Instruktionen. Ich muss ihm ja auch noch erklären, wo er das Auto hinstellen kann und so was«, erwiderte Francis.
    Sie hatte mit Eva und mir inzwischen eine Ortsbesichtigung vorgenommen. Ganz unauffällig waren wir als Radlerinnen unterwegs gewesen. Das Anwesen gefiel uns sehr gut und wir betrachteten es als würdigen Rahmen für ein folgenträchtiges Unternehmen.

     
    »Na gut, dann wirst du morgen am Telefon eine heisere Krächzstimme haben, weil deine Stimmbänder entzündet sind. Eine Erkältung geben wir besser nicht vor, sonst kneift er aus Angst vor Ansteckung. Ansonsten wird geflüstert.«
    Francis und Sibylle verglichen ihre Stimmen – und da war der Unterschied nicht mehr so ohrenfällig.
    »Sehr gut. Das hätten wir. Jetzt zeige ich euch noch, wie ich ihm entgegentreten werde«, verhieß Sibylle und verließ den Raum. Ein paar Minuten später klopfte sie an die Tür. Auf unser munteres Herein trat eine Fremde ein, eine Frau mit langen roten Haaren, Pony und katzenhaftem Augen-Make-up im eng anliegenden, matt schimmernden giftgrünen, tief dekolletierten und links geschlitzten Kleid. Sie schwebte auf hohen Pumps auf uns zu, die im selben Farbton wie das Kleid glänzten. Wir lachten und applaudierten. Sibylle zog eine Schnute und die Brauen hoch. Dann lächelte sie huldvoll. »Danke, meine Damen«, krächzte sie und fuhr dann mit gewohnter Stimme fort: »Die Verwandlung findet nicht wegen des besagten Herrn, sondern wegen der zahlreichen Damen statt. Schließlich könnten die Leute mich ja mal in einem Magazin oder im Fernsehen sehen.«
    »So wird dich gewiss niemand erkennen. Schon gar nicht, wenn du auch noch deine Stimme verstellst.«
    Wir diskutierten die Dramaturgie der Konfrontation. Obwohl es nicht ohne Reiz gewesen wäre, Marcel mit einem Schlag der versammelten Gruppe der von ihm geleimten Frauen gegenüberzustellen, waren wir einhellig der Meinung, es sei besser, wenn die Frauen ihm der Reihe nach präsentiert würden. Dann hätte jede einzelne die Gelegenheit, das auszuspucken, woran sie schon so lange herumkaute, und die Gefahr einer Eskalation der Aggressionen hielt sich eher in Grenzen. Allerdings sahen wir kaum eine Möglichkeit, ihn dazu zu bekommen, die ganze Zeit stillzuhalten.
    »Am besten wäre es, ihn zu fesseln«, hörte ich mich zu meinem eigenen Erstaunen sagen.
    »Das wird nicht so einfach sein«, gab Francis zu bedenken.
    Ich sah ihr an, wie unwohl sie sich fühlte. Wie sehr es sie quälte, schmählich gegen die seit ewigen Zeiten geübte eheliche Loyalität zu verstoßen. Gut, dass sie nicht dabei sein würde!
    »Das ist wohl nur eine Frage des richtigen Arguments«, bemerkte Sibylle in bester Vamp-Intonation. »Jedenfalls wird Giulia ihm morgen am Telefon erzählen, sie wollte ihm nicht gleich unter die Augen treten. Zuerst wünschte sie, dass es sich verhalte wie am Telefon, wo sie nur ihre Stimmen hörten, ohne sich zu sehen. Und deshalb sei es das Beste, wenn sie sich beide die Augen verbänden. – Zum Fesseln ist es dann nur ein kleiner Schritt.«

     
    Ab halb zwölf trafen die Teilnehmerinnen des angeblichen Seminars über Marcel Proust in der ›Drachenburg‹ ein. Wir begrüßten sie mit einem Cocktail in der Fischerstube, einem schönen holzgetäfelten Raum im Erdgeschoss, dessen Fenster auf den Seerhein hinausgehen, auf dem lockere Nebelschwaden waberten.
    In der Gruppe kam es dann auch nicht zu Problemen wegen der Stimmen. Wir waren zu zweit, was das ganze schon einmal entzerrte. Zudem hatten Eva und Francis zuvor nur kurz am Telefon mit den Frauen gesprochen, und überdies war die Situation stark von Emotionen geprägt. Sibylle übte

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