Liebling, Ich Kann Auch Anders
und seine Geliebte Albertine.«
Als sie ihre Aufmerksamkeit schließlich der trickreich geöffneten Seite widmeten, kamen die beiden gehörig ins Staunen. Eine nicht enden wollende Anzahl von Adressen mit Frauennamen war da aufgelistet. Ariadne war immer noch darunter.
»Wenn ich mich nicht verzählt habe, sind es achtundsechzig während der letzten zwei Jahre«, sagte Francis. »Das ist ungeheuerlich!« Und dann stellte sie fest, dass Marcel neben Giulia noch mit drei anderen korrespondierte. Täglich, seit sie angeblich verreist war.
Die beiden kopierten die Adressen und schrieben alle Frauen an. Danach kamen sie kaum nach mit der Lektüre der Zuschriften, die sie erhielten. Einige Frauen waren erstaunlich mitteilsam. Und was bei allen deutlich wurde: Fast ausnahmslos waren sie Marcels süßen Worten und Schmeicheleien auf den Leim gegangen.
»Saublöd – genau wie ich«, konstatierte Eva. »Aber wenn du darüber nachdenkst, klafft da doch offenbar eine gewaltige Marktlücke. Vielleicht sollte ich nach allem, was ich von ihm gelernt habe, mit einem Herrenmagazin einen Vertrag über einen Fortsetzungskurs abschließen: ›Süße Worte – Der Weg zum Herzen und in den Schoß der Frau‹.«
»Gute Idee! Und David soll’s illustrieren. Dann bekämen Typen wie Magnus endlich Konkurrenz. Ist doch unglaublich, dass einer so viele Chancen hat, nur weil er gut schwafeln kann, während jede Menge anständiger und ehrlicher Männer auf der Strecke bleiben!«
›Liebes Marcel-P.-Opfer,
wir sind sehr erfreut über deine Mail und deine Offenheit. Nachdem wir über sechzig Zuschriften erhalten haben, wäre es jedoch hilfreich, wenn wir uns telefonisch mit dir in Verbindung setzen könnten. Was uns vorschwebt, ist eine Konfrontation aller Kontaktpersonen bei einem Meeting. Über deine Mitwirkung würden wir uns freuen.
Deine Silvia und Tamara.‹
So lautete der Schrieb, den sie an alle Frauen verschickten, die keine Telefonnummer angegeben hatten. Sie arbeiteten jetzt parallel in der Bibliothek, um die Aufgabe schneller zu bewältigen. Francis am PC und Eva am Laptop. Der Reihe nach riefen sie die Frauen an. Alle waren empört über Marcels leichtfertigen Umgang mit ihren Gefühlen und die meisten hätten ihm liebend gern die Leviten gelesen. Interessanterweise waren die Frauen übrigens entweder verheiratet oder sie befanden sich in exponierten Positionen, waren also alle das, was Magnus als erpressbar bezeichnete. Was diesen Punkt anbelangte, ging er also mit Bedacht vor, wenn er sich auch sonst noch so leichtfertig anstellte.
Als es um Zeitpunkt und Örtlichkeit für die Konfrontation ging, hatte eine der Schweizerinnen einen sehr guten Vorschlag: Ihr Schwager, der für länger in Kanada weilte, besaß ein Ferienhaus auf einem großen, ziemlich einsam gelegenen Grundstück direkt am Schweizer Bodenseeufer. Sie hatte die Schlüssel und verbrachte dort gelegentlich ein Wochenende. Sie hätte auch Marcel gern dort getroffen, falls sich nach ihrer ersten Begegnung in Zürich eine Beziehung angebahnt hätte. Aber Marcel hatte sich nach der Verabredung, bei der er sie tief beeindruckt hatte, nie wieder gemeldet und auch keine ihrer Mails mehr beantwortet. Deshalb war sie davon ausgegangen, ihm müsste etwas zugestoßen sein.
Der letzte Samstag im Oktober stellte sich schließlich als der Tag heraus, an dem die meisten Frauen Zeit hatten. Es war auch der Tag, an dem das von Magnus gestellte Ultimatum für Eva ablief. Also in knapp drei Wochen.
»Dass was passiert, wissen wir jetzt, wo es passiert, wissen wir auch. Aber was passiert, wissen wir noch nicht so genau«, stellte Francis fest.
»Wenn Giulia ihn zu dem Ferienhaus lockt und ihn die anderen dort erwarten?«
»Werden sie ihn vermutlich lynchen!«
»Nicht, wenn wir die Sache geschickt einfädeln.«
»Ein paar Watschen würde ich ihm ja schon gönnen.« Francis lächelte vielsagend.
»Wir beide treten aber besser nicht in Aktion. Wenn er dich mit all diesen Frauen sähe, würde er sich vermutlich getäuscht und verfolgt fühlen, was das Ganze verzerren würde und ihn nicht mehr als allein Verantwortlichen dastehen ließe. Und wenn er mich zu Gesicht bekommt, wird er in mir die Urheberin aller Pein sehen – das Sündenschaf für alle Schuld. Was die anderen ihm vorwerfen, könnte dann an ihm abprallen.«
»Das ist sicher richtig. Aber wer mimt uns dann die Giulia?«
»Ich hab da so eine Idee … Wenn sie Zeit hat, wäre sie die absolut
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